Verfilmung von "Fleisch ist mein Gemüse": Hamburg, Harburg, Häkeldeckchen
Heinz Strunks Erfolgsroman "Fleisch ist mein Gemüse" gibt es jetzt als Film. Der setzt auf die Popularität des Autors und traut der Story nicht.
Vor kurzem noch spielte er in "Immer nie am Meer" zusammen mit Christoph Grissemann und Dirk Stermann einen Eingesperrten, jetzt kann man Heinz Strunk als Gehängten im Kino bewundern. Der Regisseur Christian Görlitz hat den Komödianten, Schauspieler, Radiomoderator und Bestsellerautor Heinz Strunk an einer Wand befestigt, die eine Tapete aus den Siebzigerjahren schmückt; so kann er sich mit dem Hirschkopf auf der anderen Seite des Raumes unterhalten. "Fleisch ist mein Gemüse", der Film zu Strunks gleichnamigem Erfolgsroman, schließt mit diesen Bildern direkt an die Buchdeckel-Vermarktungsstrategien des Rowohlt Verlags an. Darüber hinaus lässt sich die gekünstelt wirkende Rahmung in zwei Richtungen deuten: Christian Görlitz setzt auf Heinz Strunks Popularität. Und er traut der Story nicht.
Im eigentlichen Film macht Maxim Mehmet, der den jungen Heinz spielt, seine Sache nicht schlecht. Er stattet seine Figur mit einer leicht abwesend wirkenden Grundhaltung aus, die dieses Leben zwischen Bierflaschen, Zigarettenkippen, Häkeldeckchen und psychisch angeschlagenen Frauen aushaltbar macht. Dass das Leben an Heinz vorbeizieht, ist seine Rettung. Denn ließe der junge arbeitslose Musiker aus Hamburg-Harburg seine Situation tief in sein Bewusstsein einsickern, dann käme die Todessehnsucht, der Mutter und Nachbarin im Laufe der Geschehens erliegen, auch bei ihm zum Zug. Die Erkenntnis, in einer ausweglosen Situation zu stecken, führt im Buch immer wieder zu tiefschwarzem Humor. Im Film überwiegt die Tragik. Hier wundert sich der unkämpferische Heinz lieber, raucht und lässt sich von der Tanzkapelle Tiffanys anheuern. Nahezu stoisch erträgt er die Tiraden von Bandleader "Gurki" - adäquat schmierig gespielt von Andreas Schmidt - und besucht lieb seine Mutter in der Psychiatrie. Susanne Lothar spielt Strunks Mutter bühnenerprobt als eine zwischen Liebes- und Rachsucht Steckengebliebene. Plötzlich erkennt man glasklar, woher "Heinzers" Hassliebe zu den Frauen, den sogenannten Biestern, kommt.
Dem Popmusikalischen des Buches - dem Aufgreifen und Modulieren von banal-komischen Episoden und Sprachbildern, analog zu einem Gitarrenriff oder einer Saxofoneinlage, - ist mit filmischen Mitteln nicht einfach beizukommen. Originalschauplätze und gute Darsteller reichen da nicht. Die Achtziger-Jahre-Sat.1-Satire, die Görlitz aus dem Stoff gemacht hat, wird deshalb nur demjenigen etwas sagen, der schon Buch, Hörbuch und Musical wegen der Wahrhaftigkeit und Tapferkeit des Antihelden Heinz geschätzt hat.
NADJA GEER
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