piwik no script img

Verfilmung des Kinderbuchs im ZDFGott war froh, er erfand den Grüffelo

Die Maus hat ein Problem: "Der Grüffelo" hat sie zum Essen eingeladen. Damit findet eines der bekanntesten Kinderbücher der Gegenwart endlich den Weg ins Fernsehen.

Böse sieht er aus, der Grüffelo / doch ist am Ende die Maus doch froh. Bild: dpa/zdf

Einen Grüffelo müsste man dieser Tage haben, zumindest etwas Vergleichbares. "Wie lieb von dir, Schlange, ich danke dir schön, doch ich muss schon zur Feier beim Grüffelo gehen", sagt die Maus zur Schlange. Ein kurzer Wortwechsel und die Einladung zum Schlangen-Mäuse-Fest hat sich erledigt. Frohe Weihnachten, guten Rutsch und so, ich bin dann mal beim Grüffelo.

Eigentlich ist der Grüffelo ein höchst unansehnliches Geschöpf mit schrecklichen Hauern, knotigen Knien und einer giftigen, grünen Warze im Gesicht. Doch wer als Maus von den Kollegen Schlange, Fuchs oder Eule zum Dinner gebeten wird, sollte besser schnellstens eine plausible Ausrede parat haben. Ein so grausam grässliches und furchteinflößendes Monster, das Fuchsspieß, gezuckerte Eule und Schlangenpüree zu seinen Leibspeisen zählt, scheint da als Entschuldigung gerade recht zu kommen.

Wer konnte schon ahnen, dass es etwas so Schreckliches wie ein Grüffeltier tatsächlich gibt? Und dass es mit Vergnügen nicht etwa Fuchs und Eule, sondern arme kleine Mäuse verspeist, als Butterbrotbelag. "O Schreck, o Graus, ich fürcht mich so, es gibt ihn doch, den Grüffelo!"

Dass die deutsche Erstausstrahlung der von der BBC produzierten "Grüffelo"-Animationsfilmversion (Regie: Max Lang, Jacob Schuh) auf dieses vor Besinnlichkeit strotzende Datum fällt, hat mit Zufall freilich wenig zu tun. Wer im Kinderbuchklassikers von Axel Scheffler und Julia Donaldson nämlich das harmlose Märchen wittert, mit dem man die Kinder für eine halbe Stunde ruhigstellen und dem Fernseher guten Gewissens überlassen kann, hat zwar nicht ganz unrecht; der übersieht aber eine versteckte und geheimnisvolle Dimension hinter der Geschichte der kleinen Maus. Bei genauerer Betrachtung lässt sich der Zusammenhang zu den existenziellen theologischen Fragestellungen der Weihnachtszeit und des Christentums im Allgemeinen nicht verleugnen.

Was bedeutet Nächstenliebe? Ist sie das Essen, das Gegessenwerden oder gar das Essen-Lassen? Wie lehne ich eine Einladung zum Essen ab, von der ich Böses zu erwarten habe? Muss ich beim letzten Abendmahl wirklich teilnehmen? Sind Arglist und Täuschung nicht auch eine gangbare Lösung, um dem eigenen Untergang zu entkommen? Wäre Jesus immer noch am Leben, hätte er sich auf den Grüffelo bezogen?

Was also bedeutet dieser Grüffelo im biblischen Sinne? Vielleicht symbolisiert der Grüffelo den Teufel, dem die Maus ihre Seele verkauft. Dabei stellt sie sich dermaßen klug an, dass sie auch ihn wieder austricksen kann. Oder der Grüffelo ist eine Art alttestamentarischer strafender Gott, den man durch genug Weisheit wieder ein wenig milder stimmen kann.

Wahrscheinlich aber steht die Maus in Wirklichkeit für die armen Eltern in der Vorweihnachtszeit. Die gefährlichen Tiere sind die Kinder von heute, die in ihrer Geschenkegier vor nichts und niemandem mehr haltmachen. Und der Grüffelo steht für die christliche Weihnachtsgeschichte, deren sich die Eltern in ihrer Hilflosigkeit bedienen, um einen zeitlichen Aufschub für das Besorgen der Geschenke zu bekommen.

Eine nette Geschichte, gespickt mit hintersinnigen Interpretationsspielräumen als Diskussionsgrundlage für den besinnlichen Abend.

Der Grüffelo - ZDF, 24.12., 10.40 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • UK
    Ulrich Krieger

    Hurtz!

    Eine Kindergeschichte ist manchmal einfach eine Kindergeschichte. Keine Allegorie auf den Teufel, die Liebe oder sonstwas. Die religiöse Überhöhung will ich mal mit dem weihnachtlichen Trubel entschuldigen aber dieses hineininterpretieren von Tiefgang in eine (tolle) Kindergeschichte finde ich falsch. Das Grüffelo ist eine tolle Geschichte, auch ohne Bildungsauftrag.