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Verfassungsschützer müssen Auskunft geben

■ Berliner VS darf Aktenauskunft nicht mehr einfach ablehnen

Dahlem. Für Heinz Annußek, Chef von etwa 300 Berliner Verfassungsschützern, hat das Leben derzeit besondere Härten. Nicht nur, daß der Chefschnüffler seit letzter Woche kein Abteilungsleiter mehr ist, seit gestern muß er auf Weisung von oben den Menschen, die von seinen Mitarbeitern beobachtet und belauscht worden sind, Aktenauskunft oder -einsicht gewähren und darf diese nur noch in bestimmten Fällen verweigern. Innensenator Pätzold (SPD) hat gestern eine entsprechende Anweisung in Kraft gesetzt.

Über wie viele Bürger in dem Geheimdienstbunker in der Straße Auf dem Grat geheime Akten angelegt sind, »weiß der Verfassungsschutz wohl selbst nicht«, unkt der Pressesprecher der Innenverwaltung, Werner Thronicker. In diesem Jahr haben 650 Leute wissen wollen, was anonyme Männer in Lodenmänteln über sie wissen. Etwa 300mal wurden die Ersuchen beantwortet, genauso oft keine Auskunft erteilt, und der Rest wird noch bearbeitet.

Seit gestern darf das Landesamt nur dann keine Auskunft erteilen oder eine Akteneinsicht verweigern, wenn »eine Geheimhaltungsbedürftigkeit angenommen werden muß« — zum Beispiel bei Spionen fremder Geheimdienste. Die Teile von Personendossiers, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz, von anderen Landesämtern, den Alliierten und anderen Geheimdiensten kommen, dürfen auch geheimgehalten werden, wenn diese ihre Zustimmung zu einer Bekanntgabe verweigern.

Pätzold will mit seiner Auskunftsanweisung erreichen, daß »der Verfassungsschutz künftig als weitgehend offen tätige Nachrichtenbehörde arbeiten kann«. Das Amt könne jetzt bei kritischen Bürgern wieder Vertrauen zurückgewinnen.

Auskunftsanfragen sind an das Landesamt für Verfassungsschutz, Auf dem Grat 2, 1000 Berlin 33, zu richten. Die Innenverwaltung empfiehlt Geburtsdatum, -ort, Wohnanschrift und möglichst die Umstände anzugeben, bei denen man dem Verfassungsschutz aufgefallen sein kann. Die mitgeteilten Daten darf das Amt nicht verwenden. Dirk Wildt

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