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Verfassungsklagen gegen Euro-Veträge„Grenze des Möglichen nicht erreicht“

Der Verfassungsrechtler Franz Mayer über Verfassungsklagen gegen ESM-Vertrag und Fiskalpakt: Er rechnet mit einem Einspruch beim Begleitgesetz zum ESM-Vertrag.

Die Karlsruher Verfassungsrichter verhandeln am 10. Juli über Fiskalpakt und ESM-Vertrag. Bild: dapd
Christian Rath
Interview von Christian Rath

taz: Herr Mayer, kommenden Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht über die Eilanträge zu ESM und Fiskalpakt verhandeln. Rechnen Sie damit, dass Karlsruhe den ESM stoppt?

Franz Mayer: Nein. Denn das Gericht hat 2011 den temporären Rettungsschirm EFSF akzeptiert. Und der ESM ist im Wesentlichen gleich konstruiert: Unter Druck stehende Eurostaaten bekommen zeitweise Stabilitätshilfen in Form von günstigen Krediten, wenn sie zugleich Sparpolitik und Wirtschaftsreformen versprechen. Entscheidend ist, dass der Bundestag für alle wesentlichen Schritte die Haushaltsverantwortung übernehmen muss. Und das ist im Wesentlichen gewährleistet.

Wie sieht es mit den Klagen gegen den Fiskalpakt aus?

Hier wird ja vor allem kritisiert, dass jeder Eurostaat eine Schuldenbremse in seine Verfassung schreiben muss. Diese dauerhafte Verpflichtung zu einer ausbalancierten Haushaltspolitik macht aber nur Sinn, wenn sie von einem Staat, der nicht mehr sparen will, nicht einfach wieder gekündigt werden kann. Der Fiskalpakt ist damit die logische Folge einer Währungspolitik, die auf Stabilität zielt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Verfassungsrichter dies als unzulässig ansehen werden. Die Verpflichtung des Euro auf Stabilität steht ja sogar in Artikel 88 des Grundgesetzes.

Sie rechnen also mit keinem Einspruch des Bundesverfassungsgerichts?

Doch, aber nicht bei der Zustimmung zu den Verträgen selbst, sondern beim Begleitgesetz zum ESM-Vertrag. Für die Übernahme der Haushaltsverantwortung sollen hier einfache Gesetze, Bundestagsbeschlüsse oder Beschlüsse des Haushaltsausschusses genügen. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht gerade erst festgestellt, dass der eigentlich neben der EU stehende ESM-Vertrag wie eine EU-Angelegenheit zu behandeln ist. Seitdem bin ich mir zunehmend sicher, dass Karlsruhe in bestimmten Fällen der Weiterentwicklung des ESM ein Gesetz nach Artikel 23 des Grundgesetzes fordern wird.

Bild: Uni Bielefeld
Im Interview: FRANZ MAYER

,44, ist Rechtsprofessor für Europarecht in Bielefeld. Er beriet mehrfach den Bundestag in Verfahren mit EU-Bezug vor dem Verfassungsgericht.

Was ist der Unterschied?

Bei Gesetzen nach Artikel 23, dem Europa-Artikel des Grundgesetzes, muss auch der Bundesrat zustimmen. Und wenn es um grundlegende Fragen geht, ist sogar eine Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat erforderlich.

Um welche Art von Fragen geht es in den Begleitgesetzen?

Der Bundestag muss zum Beispiel zustimmen, wenn das Kapital des ESM erhöht wird und dadurch auch das Risiko steigt, das Deutschland übernimmt.

Könnte Karlsruhe auch sagen, ab wann die weitere EU-Integration durch eine Volksabstimmung legitimiert werden muss?

Darauf hoffen ja viele, ich sehe das aber nicht. Die Annahme, das Grundgesetz sei europapolitisch am Ende seiner Möglichkeiten und müsse bald per Volksabstimmung durch eine neue Verfassung ersetzt werden, halte ich für einen Holzweg – vor allem wenn dabei nur wenige Sätze geändert werden sollen. Falls das Grundgesetz nach Artikel 146 durch eine neue Verfassung ersetzt werden soll, muss dies eine wirklich neue Verfassung sein, bei der dann auch alles auf den Prüfstand gestellt werden könnte. Das will im Moment aber niemand.

Wenn es aber verfassungsrechtlich erforderlich ist?

Das ist es nicht. Denn das Grundgesetz ist europafreundlich und lässt Hoheitsübertragungen auf eine demokratische und soziale EU durchaus zu. Hier ist die Grenze des Möglichen noch nicht erreicht. Wenn die Politik nun die Bürger in die Mitverantwortung nehmen will, dann kann sie dies tun und Volksentscheide einführen. Das ist dann aber eine politische und keine rechtliche Frage. Das Verfassungsgericht sollte hier seine Grenzen erkennen.

Sollte das Verfassungsgericht nicht aber wenigstens die Leitplanken der künftigen EU-Integration definieren?

Nein, nicht einfach so, quasi auf Vorrat. Gerichte sollten ja grundsätzlich nicht mehr entscheiden, als sie gefragt werden. Und auch hier wären die Richter gut beraten, wenn sie jeweils nur die konkret vorgelegte Frage entscheiden. Die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen ändern sich derzeit so schnell, dass nicht ständig Zäune errichtet werden sollten, die sich eh nicht halten lassen. Und der Weg Deutschlands in der europäischen Integration sollte nicht vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben werden. Das überfordert das Gericht. Diese Fragen müssen im politischen Raum entschieden werden. Auch wenn es bequemer ist, die Verantwortung mit dem Ruf nach dem Verfassungsgericht oder nach dem Volksentscheid abzugeben.

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12 Kommentare

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  • T
    thxyz

    Man sollte vielleicht daran erinnern, dass dieser Professor Meyer im Namen des Bundestages schon einmal vor dem Verfassungsgericht die steile These vertreten hat, es gäbe kein Grundrecht auf Demokratie ...

     

    Der Mann hat eine Agenda, die er mit der verfassung verwechselt.

  • C
    Cindy

    Eines habe ich nun endgültig begriffen, wir werden von unserer Regierung mit samt der Opposition ausser den LINKEN verraten und verkauft und von den Verfassungsrichtern von Merkels Gnaden,Voßkuhle und Müller können wir kein Urteil zu gunsten des Volkes erwarten. Der Käse mit unserer sogenannten Demokratie ist gegessen. Es gibt nur eines bei der nächsten Wahl die LINKEN wählen, aber die können das Kind auch nicht mehr aus dem Brunnen holen. Die Politiker-Bande aus dem Bundestag, die dem Wahnsinn zugestimmt hat gehört in den Steinbruch ohne Handschuhe mit einem kleinen Meißel.

  • C
    conferio

    Der Amtseid der Politiker verpflichtet sie zur Wahrung einzig und allein der deutschen Interessen.

    Dort ist aus guten Gründen nichts von Europa zu finden.

    Natürlch wird das Verfassungsgericht die Verträge durchwinken, sein Personal ist ja von den Politikern zu diesem Zweck eingesetzt worden.

    Schon die Unabänderlichkeit der Verträge ist verfassungswidrig. Eine Entscheidung, was zukünftige Generationen zu leisten haben ist absurd.

    Man kann hier 100 Jahre Jura studieren und trotzdem am Ende keine Ahnung von der Materie haben.

    Das zeigen undere Richter und angestellten Staatsrechtler immer wieder.

  • DC
    Dr. Cornel Heinsdorff

    Das Problem ist nur, daß die Haushaltsrechte damit tendenziell von den demokratisch gewählten europäischen Parlamenten auf andere europäische Institutionen übergehen, auf deren Zusammensetzung der Souverän, die Völker Europas, keinen direkten Einfluß mehr hat. Wir haben es bei der Schaffung von Instrumenten wie dem ESM im Prinzip mit antidemkratischen Tendenzen zu tun. Ich kann mir nicht vorstellen, daß dies der Grundgedanke von GG Art. 23 ist.

  • R
    rainer

    Wenn ich mir den 1.Richter auf Ihren Bild anschaue

    (rechts außen, Müller ehemaliger MP.aus dem Saarland)dann weiß ich schon jetzt das Frau Merkel den richtigen an die richtige Stelle gesetzt hat.Der Fiskalpakt samt ESM wird auch dort schön durchgewunken!

    Wir werden es erleben!

     

    PS:

    Frage:

    Wie kann ein Mann wie Müller einfach so Verfassungsrichter werden.Kann ich mich als Milchmann

    vielleicht auch dort einmal Bewerben...läuft gerade nicht so gut bei mir.Dieses Land wird mir mir immer unheimlicher!

  • H
    Hans

    Was will man auch für Antworten von einem Berater dieser technokratischen Helfershelfer erwarten. Propaganda!

     

    Leider hat Herr Mayer scheinbar nicht alle bzw. die Verfassungsklagen nicht richtig gelesen.

     

    Das primäre Argument der verfassungsbeschwerden ist das Eingreifen der Verträge in den Haushalt des Landes und das damit verbundene Abgeben von Rechten des Parlaments.

  • R
    reblek

    "Verfassungsklagen gegen Euro-Veträge" - Eine Klage gegen "Veträge" sollte erfolgreich sein.

  • M
    Michel

    So, das wars dann?

     

    Nichts kann us mehr retten vor Brüssel? Keine Volksabstimmung über Euro/EU? Einfach so Aufgabe der Souveränität?

    Und unsere Politiker machen alles mit? Auch unsere obersten Gesetzeshüter?

     

    Ist denn da keiner? Keine Partei die dagegen ist? Ich glaub ich würd jetzt JEDEN wählen...irgendeiner muß doch was tun können.

  • JK
    Juergen K.

    Liebes Verfassungsgericht !

     

    Bau einen Passus ein, dass DU selbst nicht abgeschafft werden kannst.

     

    Wegen der noch offenen Hartz4 Klagen.

     

    Nur dann kannst DU die fiskalischen Risiken beherrschen.

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    "Wenn es aber verfassungsrechtlich erforderlich ist?

    Das ist es nicht. Denn das Grundgesetz ist europafreundlich und lässt Hoheitsübertragungen auf eine demokratische und soziale EU durchaus zu. "

     

    Dass ist ja grotesk!

    Wo bitte ist die EU "demokratisch", wo bitte schön ist sie "sozial"?

    Die EU ist ein neoliberales "Eliten"-Projekt, nichts anderes. Der ganze Lissabon-Prozess hat dies gezeigt.

  • M
    Maria

    Wenn man es mal realistisch sieht, ist im Grundgesetz gar nicht geregelt, ob der Bundestag viele hundert Milliarden Euro an andere Staaten "verschenken" darf.

     

    Es ist deshalb sinnlos, wenn 8 Verfassungsrichter versuchen zu entscheiden, ob der Fiskalpakt und der ESM gegen das Grundgesetz verstoßen oder nicht. Das Grundgesetz enthält darauf schlicht keine Antwort. Anstatt die "Entscheidung" der Richter abzuwarten, könnte man genauso gut würfeln.

     

    Ich erachte deshalb weder den Beschluss der 600 Hansel im Bundestag, noch die Entscheidung der 8 Verfassungsrichter für mich als verbindlich.

  • G
    grummelkuss

    Normalerweise sollten Wege fortgesetzt werden,

    wenn diese nachhaltigen Erfolg generiert haben!!!

     

    Die EU hat bisher versagt.

    Der deutsche Bürger muss losgelöst von den Parteien

    auch NEIN zur EU sagen dürfen und dem muß dann

    entsprochen werden!!!!

    Er muss jederzeit dieses Monstrum verlassen dürfen.

    Franz Mayers Karriere ist viel zu sehr von

    EU-Autoritäten der Wissenschaft verstrickt,

    um wirklich neutral diese Fragen zu beantworten.

     

    Wir brauchen den Generationenwechsel in der Politik

    dringend. Die heutige Politikerschar will den

    Staffelstab nicht an ihre Kinder übergeben und

    sie lieber entmündigen, indem Sie diesen

    dem kosmopolitische Weltbürgertum überreicht.

    Das darf man sich nicht bieten lassen.