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Verfassungsgericht stärkt ARD und ZDF

Bisheriges Verfahren der Gebührenfestsetzung durch die Länder ist verfassungswidrig  ■ Aus Karlsruhe Matthias Tang

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat einmal mehr eine Lanze für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gebrochen. Der erste Senat des Gerichtes befand das bisherige Verfahren der Gebührenfestsetzung als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, weil es eine Einflußnahme des Staates auf die Programmgestaltung nicht ausschließe.

Wieviel es die GebührenzahlerInnen kostet, in der ersten Reihe sitzen zu dürfen, das entschieden bisher die Ministerpräsidenten per Staatsvertrag. Ihre Entscheidung stützen sie auf Empfehlung der „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“, kurz KEF. Doch auch in der sitzen VertreterInnen der Staats- und Senatskanzleien, ARD und ZDF sind in der KEF dagegen nicht vertreten. In der Vergangenheit war es wiederholt zu Konflikten zwischen den Bundesländern gekommen, und den Länderparlamenten blieb nur die Zustimmung zum Entwurf der Ministerpräsidenten.

Das BVG hatte über einen Aussetzungs- und Vorlagenbeschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zu entscheiden. Das bayerische Gericht hatte mit dem Verfahren der Gebührenfestsetzung verfassungsrechtliche Probleme, vorausgegangen war eine Klage der Humanistischen Union. Unter Vorsitz von Roman Herzog betonte das BVG seine ständige Rechtsprechung, daß der private Rundfunk in seiner gegenwärtigen Form nur hinnehmbar sei, solange der öffentlich-rechtliche Rundfunk die „Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen aufrechterhalten (könne), die den Anforderungen des Grundgesetzes genügen.“ Dem Rundfunk komme für die freie Meinungsbildung herausragende Bedeutung zu, was die Gebührenfinanzierung rechtfertige. Im bisherigen Verfahren der Gebührenfestsetzung sah das Gericht die Möglichkeit der politischen Einflußnahme auf die Programmentscheidungen von ARD und ZDF nicht ausgeschlossen. Vielmehr berge die Festsetzung der Gebühren per Staatsvertrag die Gefahr der politischen Instrumentalisierung. Bereits ein Drohen mit der Gebührenschraube könne die Programmverantwortlichen in ihren Entscheidungen beeinflussen.

Unabhängiges Gremium soll Gebühren festsetzen

Rundfunkfreiheit sei in erster Linie Programmfreiheit, und daraus ergebe sich, daß der Gesetzgeber für eine ausreichende finanzielle Ausstattung der öffentlich-rechtlichen Sender zu sorgen habe. Die Festsetzung der Gebührenhöhe dürfe ausschließlich aus sachlichen Gründen erfolgen, jede medienpolitische Einflußnahme sei verfassungsrechtlich verboten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse auch finanziell in den Stand versetzt werden, seinen Verfassungsauftrag zu erfüllen. Mit welchen Programmen und welchen Sendungen ARD und ZDF die Grundversorgung am besten sicherstellen können, diese Frage überließ das Gericht den Anstalten selber. Die öffentlich-rechtlichen Sender müßten bei der Entscheidung über die Höhe der Rundfunkgebühren mit einbezogen werden.

Ganz alleine wollte das Gericht die Entscheidung den Rundfunkanstalten nicht überlassen. Vielmehr sei der Gesetzgeber aufgerufen, ein unabhängiges Gremium zu schaffen, das die Festsetzung der Gebühren ausschließlich nach sachlichen Erwägungen vornimmt. Die KEF könne als Beispiel dienen, müsse jedoch vom Einfluß der Politik befreit werden.

Eines bedeutet das Urteil jedoch nicht: die Unvereinbarkeit der bisherigen Regelung mit der Verfassung führt nicht zur Nichtigkeit bisher in diesem Verfahren getroffener Entscheidungen. ARD und ZDF werden trotzdem aufatmen, hat ihnen doch das Gericht ein eindeutiges Mitspracherecht bei der Festsetzung der Gebühren eingeräumt. Und die Gebühren werden steigen müssen, wollen ARD und ZDF nicht in die Pleite rutschen. 1993 sanken die Werbeerlöse der ARD um 15 Prozent, das ZDF traf es noch ärger: Innerhalb eines Jahres gingen die Werbeerlöse der Mainzelmänner um fast die Hälfte zurück, von 721 Millionen auf 370 Millionen Mark.

Über die Aufhebung der 20-Uhr-Werbegrenze hat sich das Gericht, anders als von ARD und ZDF erhofft, ausgeschwiegen. Werbefinanzierung sei möglich, doch die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemäße Finanzierung sei die Gebührenfinanzierung.

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