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■ KommentarVerfassungsfeinde

Der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel. Und so werden die fortschrittlichen Geister der Republik jubilieren, sollte es gelingen, die Republikaner zu verbieten, weil sie verfassungsfeindlich sind. Das Verbot ist überfällig. Die Begründung aber taugt nicht.

Verfassungsfeinde - das schmeckt noch immer nach KPD-und Berufsverbot. Und es war der Begriff der Verfassungsfeindlichkeit, auf den sich in der Entstehungsphase der Grünen prominente Rechte beriefen, um der Öko-Partei den Garaus zu machen. Verfassungen sind nur selten in bester Verfassung. Und sie sind keinesfalls eine Heilige Schrift für alle Ewigkeit. Sie gehören verändert, der Realität angepaßt. Verfassungsfeinde sind stets erstmal diejenigen, die den Konsens der herrschenden Kräfte verletzen. Denn nur diese bestimmen, wer verfassungsfeindlich ist und wer nicht. Und das sind immer nur die anderen. Rechtsradikale Rassisten und linksradikale Systemveränderer werden mit diesem Begriff auf die gleiche Stufe gestellt und gleichrangig abgeurteilt. Wenn Verfassungstreue aber das allerhöchste Gut ist, was war dann mit der großen Koalition der Asylgesetz-Demontierer, die in parteiübergreifender Eintracht ein Grundrecht, einen Grundpfeiler unserer Verfassung aushöhlten? Verfassungsfeinde allesamt.

Verboten gehört nicht die Partei, die es ablehnt, die bestehende Verfassung zum obersten Heiligtum zu erklären. Ausgelöscht gehört die Partei, die Minderheiten diskriminiert und zu unterdrücken bereit ist, die Gewaltanwendung gegen Schwule, Behinderte, Frauen oder Ausländer toleriert oder befördert. Es gilt, Menschen vor Menschenfeinden zu schützen - nicht Verfassungen. Marco Carini

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