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■ Dokumentation„Verfahrens-Farce“

Mit der folgenden Erklärung hat der Staatsrat im Bauressort, Jürgen Lüthge, den Rückzug seiner Bewerbung für den Posten des Gewoba-Geschäftsführers angekündigt (vgl. S.21).

Nachdem der politische Pulverdampf verflogen ist, ist es auch an der Zeit, meine persönliche Entscheidung zu treffen: Ich war ursprünglich fest entschlossen, meine Bewerbung aufrecht zu erhalten; ich wollte mich auch auf keinen Fall dem öffentlich ausgeübten politischen Druck beugen. Nachdem nun aber ein Koalitionspartner erklärt hat, daß er meine Berufung zum Geschäftsführer auf jeden Fall – auch wenn mich die Firma Kienbaum wieder vorschlagen würde und auch wenn sich der Aufsichtsrat für mich entscheiden würde – durch die Erhebung des Vetos im Senat zu Fall bringen würde, habe ich mich schweren Herzens entschlossen, meine Bewerbung nicht mehr aufrecht zu erhalten.

Eine echte Erfolgschance habe ich nicht mehr; ich würde nur an einer Verfahrensfarce teilnehmen und weiterhin eine Diskussion über meine berufliche Zukunft in den Medien miterleben müssen. Das möchte ich weder dem Präsidenten des Senats, meiner Senatorin, der SPD, der Gewoba noch mir zumuten.

Auch wenn ich Fehler im Verfahrenshandling einsehe und einen Teil der Kritik nachvollziehen kann, ist es doch ein starkes Stück, daß zuerst eine zweite Ausschreibung gefordert und durchgesetzt wird, um ein völlig lupenreines, neues Verfahren zu haben, dann jedoch ein bestimmtes personelles Resultat durch Veto auf jeden Fall verhindert werden soll. Dieses Verfahren läßt jeglichen Respekt vor der fachlichen Kompetenz der eingeschalteten Beratungsfirma als auch jegliche Akzeptanz der zuständigen Gremien außer acht. Ich persönlich bewerte es als undemokratisch und einer liberalen Partei unwürdig.

Da ich aber auch von den Grünen keinen nachhaltigen Protest dagegen gehört habe, kann ich nicht erwarten, daß die Ampel dieses Veto zurückweisen würde. Da Regierung und Opposition genug andere Dinge zu tun haben, möchte ich vermeiden, daß beide noch mehr Energien in diese Angelegenheit stecken.

Senatorin Eva-Maria Lemke-Schulte hat mich gebeten, ihr weiterhin als Staatsrat zur Seite zu stehen. Dieser Bitte bin ich, nachdem ich, ohne es zu wollen, ihr in den vergangenen Wochen Sorgen und Ärger bereitet habe, nachgekommen.

Jürgen Lüthge

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