: Vereinigung schwarzer Tag für Spione
■ Die Amnestiepläne der Bundesregierung für ehemalige DDR-Spione sind vorläufig gescheitert/ Über ein Gesetz soll erst der gesamtdeutsche Gesetzgeber beraten/ Massenfestnahmen angekündigt
Berlin (taz) — Den Tag der deutschen Vereinigung werden Tausende von früheren DDR-Spionen als schwarzen Tag erleben. Nach dem Scheitern der geplanten Amnestieregelung will Generalbundesanwalt Alexander von Stahl ab dem 3.Oktober mutmaßliche DDR- Spione festnehmen lassen.
Zur Begründung führte Stahls Sprecher, Rolf Hannich, an, seine Behörde sei an das Legalitätsprinzip gebunden. Wenn die Amnestie nicht rechtzeitig zum Beitrittstermin der DDR in Kraft trete, gelte eben rechtlich „nach wie vor, was bisher gegolten hat“. Voraussetzung sei in der Regel ein laufendes Ermittlungsverfahren. Die Zahl der DDR-Spione wurde in den letzten Tagen mehrfach zwischen 6.000 und 8.000 angegeben. Eine Amnestieregelung für den 3.Oktober wurde gestern schon gar nicht mehr auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses genommen. Ursprünglich sollte das Gesetz heute im Bundestag verabschiedet werden. Wie der Geschäftsführer der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Bohl, erklärte, soll der Gesetzentwurf der Bundesregierung — der vorher im Bundesrat durchgefallen war — nun nach der Vereinigung weiter behandelt werden. Bohl benannte „zeitliche und technische“ Gründe, der Entwurf solle außerdem mit den künftigen Bundestagsabgeordneten aus dem DDR-Gebiet erörtert werden.
Bundesjustizminister Hans Engelhard hielt es zwar immer noch für „zweckmäßig“, eine begrenzte Amnestie für DDR-Spione bereits ab dem 3. Oktober in Kraft treten zu lassen. Offenbar habe sein Gesetzentwurf jedoch „keinen Anklang gefunden“. Es werde der deutschen Einheit aber „nicht schaden, wenn die Amnestie nicht zum 3. Oktober kommt. Man kann es auch später machen.“ Aber schade sei es schon, denn nun bestehe die Gefahr, daß Agenten der DDR ihr Wissen und ihre Dienste anderen Staaten anböten.
Vor allem die CSU soll sich gegen den Bonner Entwurf quergelegt haben. Ein Straferlaß nur für Stasi-Angehörige sei „politisch nicht opportun“ und „in der Öffentlichkeit auch nicht vermittelbar“. Der Münchner CSU-Vorsitzende, Peter Gauweiler, steht einer Straffreiheit für einstige Blockierer von Raketenstellungen sogar positiv gegenüber. Bei einer Wahlkampfdiskussion mit dem Fraktionssprecher der bayerischen Grünen, Hartmut Bäumer, meinte er, es gehe nicht, für Stasi-Leute eine Amnestie zu beschließen, in der Bundesrepublik Demonstranten aber selbst wegen Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen. Für den Tag der Wiedervereinigung haben SPD-Politikerinnen am Dienstag eine Amnestie für alle Frauen gefordert, die wegen des §218 verurteilt wurden. Laufende Verfahren sollten niedergeschlagen werden, verlangten die Sozialdemokraten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen