Ver.di-Großstreik bei DHL: Auf dem Rücken der Belegschaft
Die DHL-Beschäftigten in Schkeuditz streiken für eine Lohnsteigerung von 12 Prozent. Dass ihre Kolleg:innen in Westdeutschland für die gleiche Arbeit teils immer noch mehr verdienen, frustriert sie.
Der Hintergrund des Streiks: Ergebnislose Tarifverhandlungen mit DHL, in denen der Arbeitgeber kein Angebot vorgelegt hat. Ver.di fordert nun 12 % mehr Lohn und eine Ausbildungsvergütung bei 12 Monaten Laufzeit. Diese Forderungen werden vom Betrieb als „nicht realistisch“ abgetan. Das sehen die DHL-Mitarbeiter:innen anders.
Gut 6000 Menschen werden am Standort in Schkeuditz beschäftigt, circa 70 Prozent davon in Nachtschicht. Der Mega-Hub ist zuständig für Express-Luftfracht, darunter auch medizinische Güter wie Blutkonserven. Pro Nacht landen 80 bis 90 Frachtflugzeuge am Hub, die in extremem Tempo entladen und neu beladen werden, und dann wieder abfliegen.
Dass diese Arbeit ein Knochenjob mit großer Verantwortung ist, wird am Streiktag mehrmals deutlich. Mario Mignas aus der Abteilung Rampe Pushback, der Teil der Verhandlungskommission ist, beschreibt den Nachtschichtzuschlag als „Bonus, für das, was man dem Körper antut“.
Was genau man dem Körper da antut, wird in Gesprächen mit anderen Streikenden deutlich: Eine Gruppe aus dem Bereich Offload berichtet, dass sie die ganze Nacht auf den Beinen sind und teilweise Pakete heben, die über 30 Kilo wiegen. Rückenschmerzen, Knieprobleme und Bandscheibenvorfälle seien die Folge. „Man macht sich nur kaputt.“ Und das Equipment? „Auch kaputt“. Früher hätte die Arbeit noch mehr Spaß gemacht, aber „jetzt fehlen vorne und hinten die Leute“, erzählt seine Kollegin.
Weil der regionale Arbeitsmarkt leer war, hat DHL vor gut vier Jahren 500 spanische Mitarbeiter:innen angeheuert. Eine portugiesische Arbeiterin, die über das Spanien-Programm gekommen ist, berichtet, dass das Arbeitsklima oft schwierig sei. Die Menschen seien dann doch einfach „sehr unterschiedlich“, und viele der Deutschen würden sich für etwas Besseres halten. Es sei auch zu Diskriminierung gekommen. Lukas Ferrari (ver.di), der bei der Veranstaltung für die Spanier:innen übersetzt, hofft, dass sie es schaffen, „die Spaltung, die es im Betrieb gibt, nicht auch in der Gewerkschaft fortzuführen.“
Der DHL-Hub Leipzig hat der Muttergesellschaft Deutsche Post AG letztes Jahr 5,9 Milliarden Euro eingebracht, der Expressversand ist der lukrativste Zweig der DHL. Von diesem Premium-Status kriegen die Mitarbeiter:innen aber nichts mit, viele müssten „jeden Cent zweimal umdrehen“ meint Felix aus der Customs-Abteilung. Hinzu kommt: Einige Mitarbeiterinnen bekommen monatlich bis zu 700 Euro weniger als DHL-Beschäftigte in Westdeutschland, für die gleiche Arbeit. „Wir können einsehen, was die Kolleg:innen in Köln und Frankfurt verdienen. Das frustriert einfach“, sagt Falk von Customs.
„Das ist so ungerecht. Die Leute fühlen sich nachvollziehbarerweise verarscht“ findet auch Nam Duy Nguyen, Linken-Abgeordneter im sächsischen Landtag. Er ist schon zum wiederholten Male beim DHL-Streik als Redner eingeladen und voller Hoffnung: „Klassensolidarität kann so viel mehr wert sein als Spaltung“, so Nguyen im Gespräch mit der taz.
Mittlerweile ist es dunkel, der Regen hat aufgehört. Zum Start der Nachtschicht sind immer mehr Kolleg:innen eingetroffen, Streikleiter Normen Schulze spricht von insgesamt 1285 Menschen über den Tag verteilt, es ist einer der bisher größten Streiks. Bei der Kundgebung tönen die Trillerpfeifen noch einmal über das ganze Gelände. Die zweite Verhandlungsrunde ist schon am 27. Mai. Ver.di hofft auf ein gutes Angebot, ansonsten gibt es weiter Lärm.
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