Verdacht gegen Wirtschaftssenatorin: Zensur allüberall. Oder?
Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz soll dem Tagesspiegel vorgeschrieben haben, welche Fotos die Zeitung von ihr drucken dürfe. Ein Skandal. Nun ja.
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Irgendwie ist der Wurm drin im Verhältnis von Politik und Presse. Vom Zoff zwischen Dutschke-Straße (Bild) und Schloss Bellevue wollen wir nicht schon wieder anfangen. Aber nun tut sich eine weitere Konfliktachse auf - zwischen Askanischem Platz (Tagesspiegel) und Martin-Luther-Straße. Dort residiert seit ein paar Wochen Sybille von Obernitz, die parteilose Senatorin für Wirtschaft und Forschung. Es geht um ein Foto. Und um einen vermeintlichen Fall von Zensur.
Was ist passiert? In der Regionalzeitung aus dem Hause Holtzbrinck hieß es am Freitag, von Obernitz habe den Redaktionen der Stadt mit einer Mail untersagen wollen, Fotos von ihr zu veröffentlichen - bis auf ein Porträt, das praktischerweise anhing. Weiter habe es lapidar geheißen: "Sämtliche anderen Fotos können Sie aus Ihren Archiven entfernen. Vielen Dank für Ihr Verständnis." Der Tagesspiegel setzte gleich drei Redakteure auf den Fall an, um ihn ins große Bild versuchter Einflussnahme durch Politiker einzuordnen. Großburgwedel lässt grüßen.
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) schlug in die vorgefertigte Kerbe: Landeschef Bernd Lammel kritisierte am Freitag wachsende Versuche, "den Bildjournalismus zu knebeln". Von Obernitz sei da keine Ausnahme.
Nur: Warum würde die Senatorin so etwas wollen? Macht die schlanke Schwäbin mit dem platinierten Haar normalerweise keine bella figura? Sollte die 49-Jährige so eitel sein, dass sie sich der Öffentlichkeit ausschließlich im blassrosa Seidenblouson zeigen will, den sie auf dem "genehmen" Bild trägt?
Anruf bei Pressereferentin Gina Schmelter. Die ist zerknirscht: Nein, die Senatorin habe nie die Pressefreiheit einschränken wollen. Natürlich dürfe die Presse Bilder der eigenen Fotografen drucken. Die Senatorin habe nur besagtes Foto als Autogrammkarte ausgewählt und angeregt, es doch auch der Presse zur Verfügung zu stellen. Eine Mitarbeiterin der Pressestelle habe dann die Mail eigenmächtig verfasst und versendet. Ja, das habe Wellen geschlagen, sagt Schmelter bedauernd, "und zu Recht".
Womit die meisten Fragen ausgeräumt wären. Bis auf die, weshalb gerade die taz keine Mail erhalten hatte. Das hübsche Bild hat man uns aber nachgeliefert (siehe oben). CLP Foto: Senat
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