■ Verbrechen als Kunst: Erik der Dieb ganz lieb
Madrid (taz) – Eine eigenartige Kunstausstellung findet dieser Tage im spanischen Pyrenäendorf Roda de Isábena statt. Der Belgier René Alphonse Van den Berg stellt siebzehn seiner Gemälde im Chorgestühl der örtlichen Kathedrale aus. Die Bilder sollen versteigert werden, der Erlös dient der Restaurierung eines gotischen Triptico des Heiligen Michael.
Ein ganz normaler Vorgang, hätte sich der Künstler nicht vor sechzehn Jahren schon einmal einen Namen im Zusammenhang mit dieser Kathedrale gemacht. 1979 raubte Van den Berg mit zwei Komplizen die Kirche aus. Dreißig wertvolle Kunstgegenstände ließen sie mitgehen. Van den Berg hatte damals unter dem Spitznamen „Erik der Belgier“ längst einen Ruf als internationaler Kirchendieb weg. Sechshundert Diebstähle sollen auf sein Konto gehen.
„Ich mußte mich zwischen zwei Wegen entscheiden und habe den des Herzens gewählt“, begründete der zum Maler konvertierte Kunstdieb den Anlaß seiner Ausstellung vor laufenden Fernsehkameras. Nur so würde er sich in Spanien wohl fühlen, das er nach der Verbüßung sämtlicher Strafen zu seiner Wahlheimat ernannt hat. Der Presserummel scheint allen Seiten willkommen. Pfarrer José Maria Leminyana, der vor Jahren ins Dorf kam, kennt seitdem nur ein Ziel: die Kathedrale bekannt und für den Tourismus attraktiv zu machen. So vergab der Gottesmann „Erik dem Belgier“ seine schwere Sünden. Erik hat nun große Pläne. Eine eigene Fernsehsendung im größten Privatsender Tele 5 würde er gerne moderieren. Und so gab er sich ganz wie ein Star: den schwarzen Frack des 55jährigen zierten ein Anarcho-A und ein großes rotes Herz; auf der Brust seines weißen Hemdes fand sich ein Fragezeichen – wohl stellvertretend für die Ratlosigkeit vieler Dorfbewohner. Sie wollen die Nächstenliebe ihres Seelenhirten nicht nachvollziehen. „Hätten wir damals Schrotflinten gehabt, hätten wir die Diebe verfolgt“, schimpft José Maria Navau, dem der Kirchendieb in jener Nacht drei Hunde vergiftete. Selbst heute, sechzehn Jahre später, hätten einige dies gerne nachgeholt, wären da nicht die beiden Leibwächter gewesen, die die Guardia Civil extra abgestellt hatte. Reiner Wandler
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