Verbraucherschutzsenator in der Kritik: Michael Braun wirft ersten Schatten
Einen Tag nach seiner Vereidigung steht der neue CDU-Justizsenator wegen seines Notar-Jobs unter Beschuss.
Kaum im Amt, hat Michael Braun (CDU), Senator für Justiz und Verbraucherschutz, die erste Affäre am Hacken. Ihm wird vorgeworfen, als Notar dubiose Immobiliengeschäfte ermöglicht zu haben. Jetzt wächst der politische Druck: Nach Verbraucherschützern stellen auch Grüne und Linke in Frage, ob Braun für sein Amt geeignet ist.
Gleich mehrere Anwälte berichten von Mandanten, denen unter Zeitdruck Schrottimmobilien verkauft worden sein sollen. Die Verträge seien von Braun oder seinem Kollegen Uwe Lehmann-Brauns, auch CDU und bis vor kurzem Vizepräsident im Abgeordnetenhaus, notariell beglaubigt worden. Allein der Anlegerschutzanwalt Jochen Resch betreut 40 Fälle, zehn soll Braun persönlich beglaubigt haben.
Die Beglaubigungen seien oft noch spätabends erfolgt, berichtet Jürgen Blache von der Schutzgemeinschaft für geschädigte Kapitalanleger (SGK). Versprechungen an die Kunden seien nicht schriftlich festgehalten, der Kaufvertrag sei nur rasch verlesen worden. "Ich halte das für kritisch, wenn nicht kriminell", so Blache. Er spricht von "weit über 100 Geschädigten".
Braun wies die Vorwürfe am Freitag als "unrichtig" zurück. Er habe sich stets versichert, dass die Käufer den Vertrag wie vorgeschrieben 14 Tage im Voraus erhalten hätten. Den Wert der Immobilien könne er nicht beurteilen. Braun bat die Berliner Notarkammer, die Anschuldigungen gegen ihn "zu überprüfen und zu bewerten". Laut einer Sprecherin der Kammer begann die Prüfung noch am Freitag.
Dass Braun nichts wusste, hält Anwalt Resch, auch Chef des Brandenburger Verbraucherschutzes, für unglaubwürdig. "Da hätte er schon ziemlich die Augen verschließen müssen." Mandanten hätten zudem berichtet, von Vertriebsfirmen gedrängt worden zu sein, die Frage nach der 14-Tage-Frist zu bejahen, obwohl dies nicht stimmte.
Auch Anwalt Marcel Eupen klagt in vier Fällen auf Rückabwicklung von Blitzkäufen, die Brauns Kanzlei beglaubigte. "Fast alle Mandanten sagen, sie hätten vor dem Notartermin keinen Vertragsentwurf bekommen", so Eupen. "Dass Braun nun oberster Verbraucherschützer wird, da fällt meinen Mandanten die Kaffeetasse aus der Hand."
Linken-Parteichef Klaus Lederer sagt, Rot-Schwarz habe offenbar den "Bock zum Gärtner" gemacht. "Die Berliner werden keinem Senator für Justiz- und Verbraucherschutz vertrauen können, den anerkannte Verbraucherschützer schon am ersten Tag seiner Amtszeit mit einem Warnhinweis versehen haben." Dirk Behrendt (Grüne) spricht von "schwerwiegenden" Vorwürfen. Wenn sie sich erhärteten ,"würde das einen langen Schatten auf den Start von Herrn Braun als Senator werfen", so der Rechtsexperte. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wollte sich nicht äußern.
Schon früher fremdelte Braun mit dem Verbraucherschutz: 2002 verklagte er die "Initiative Berliner Bankenskandal, die Namen von Nutznießern der Bankenäffare publiziert hatte. Braun sprach von "Pogromstimmung".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles