Verbotene Inhalte im Internet: Terror frei klickbar
Behörden können verbotene Inhalte im Internet nicht sperren, weil die Instrumente fehlen. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten des Freiburger Max-Planck Instituts.
FREIBURG taz In Deutschland sind die Möglichkeiten, strafbare Internetinhalte zu sperren, "unzureichend und wenig ausgereift". Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten des Freiburger Max-Planck Instituts (MPI) für internationales und ausländisches Strafrecht. MPI-Direktor Ulrich Sieber, der das Gutachten zusammen mit Malaika Nolde verfasst hat, stellte es am Montag vor.
Es geht um verbotene Inhalte, die auf Computern im Ausland angeboten werden: Kinderpornografie, Volksverhetzung und Terrorwerbung. Deutsche Behörden können nicht direkt gegen die Betreiber vorgehen. Es bleibt die Idee, den Zugang aus Deutschland zu diesen Seiten zu verhindern. Internetprovider wie T-Online könnten gezwungen werden, sie zu sperren.
Das Regierungspräsidium Düsseldorf hat dies 2002 mit zwei rechtsradikalen Seiten versucht, unter anderem mit dem Webangebot des US-Nazis Gary Lauck. Die Provider wehrten sich vor Gericht, verloren die Prozesse aber. Erfolgreich war die Sperraktion nicht, die Seiten wurden auf vielen anderen Computern weltweit "gespiegelt".
Inzwischen ist für derartige Sperrungen die gemeinsame Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) der Landesmedienanstalten zuständig. Vor neuen Anläufen wollte sie wissen, was rechtlich überhaupt möglich ist, und gab bei MPI-Direktor Sieber ein Gutachten in Auftrag.
Sieber kam nun zu einem überraschenden Ergebnis: Die Rechtslage erlaubt keine Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis, weil dieses Grundrecht in den Medienstaatsverträgen nicht ausdrücklich zitiert wurde. Dies habe der Gesetzgeber offensichtlich übersehen. Zulässig wären deshalb nur Maßnahmen gegen Suchmaschinen und Domain Name Server, die eine IP-Adresse (869.279.396.432) in eine verständliche Internet-Adresse (zum Beispiel www.taz.de) übersetzen. Sperrungen auf dieser Ebene seien aber leicht zu umgehen, so Sieber, etwa wenn man die konkrete IP-Adresse kennt.
Sieber hält die Rechtslage dann für ausreichend, wenn der Gesetzgeber nur den zufälligen Kontakt von Jugendlichen mit strafbaren Inhalten vermeiden will. Außerdem könne der Gesetzgeber durch punktuelle Maßnahmen zumindest symbolisch Normen bestätigen.
Der Gesetzgeber könnte zwar wirkungsvollere Methoden erlauben, dies könnte aber auch unliebsame Folgen haben, so das Gutachten. Bei groben Methoden - etwa der Sperrung der IP-Adresse - wären auch legale Inhalte mitbetroffen, bei feinen Methoden - etwa der Sperrung der URL - wäre eine Filterung durch zwischengeschaltete Proxy-Computer erforderlich, die teuer ist und das Internet verlangsamen kann. China und Großbritannien kombinieren beides. Doch Sieber mahnt zu gründlichen Diskussionen: "Mit solchen Instrumenten könnte leicht auch eine flächendeckende inhaltliche Überwachung der Internetkommunikation eingeführt werden."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!