: Verbesserung des ÖPNV - aber Hallo! -betr.: Streit um Linie 4, Wahlbrief von Ulrich Nölle
Betr.: Streit um Linie 4, Wahlbrief von Ulrich Nölle
Sehr geehrter Herr Nölle!
Ich habe Ihre „Tagespost an alle Haushalte“ in Horn-Lehe und Borgfeld erhalten, gelesen und mich geärgert. Zu Ihren Argumenten gegen die Linie 4 nun meine Gegenargumente.
Die kurvenreiche und mit vielen (zum Glück!) Haltepunkten besetzte Strecke würde von der neuen Straßenbahn auf eigener Linienführung ohne Behinderung des Autoverkehrs befahren. Eine Straßenbahn „schaft“ 150 Leute auf einmal weg, ein Bus nur 70. Außerdem ist diese leiser und macht keinen Gestank. Sie ist leiser! Es handelt sich nämlich um eine moderne Niederflurbahn, für die das Befahren der Kurven ohne Quietschen kein Problem mehr ist. Jedes Fahrzeug ist behinderten- und altenfreundlich; nicht nur jedes 4. wie bei der Buslinie 30 zur Zeit! Eine qualitative Verbesserung des ÖPNV findet allerdings statt- aber Hallo!!!
Der zeitweilige Stau durch den Bau der Linie 4 ist eine Kleinigkeit gegen das Autochaos, das auf die Einwohner dieser Stadt und vor allem auf die Anwohner der sogenannten „Einfallstraßen“ zukommt, wenn eine solche Verkehrspolitik die Zukunft bestimmt, wie sie sie ankündigen. Jede Straße, die verbreitert oder neugebaut wird, wird irgendwann „vollaufen“ mit Autos! Deshalb muß eine leistungsfähige Alternative im öffentlichen Nahverkehr angeboten werden, damit es den Menschen in dieser Stadt leichter fällt, ihr Auto stehenzulassen. Viel mehr Menschen sind dazu bereit, als Sie denken. Die Zeiten der „autogerechten Stadt“ sind längst vorbei! Außerdem: Wohnen Sie an einer großen vielbefahrenen Straße? Hatten Ihre Kinder Pseudo-Krupp? Die Folgen ihrer politischen Denkweise tragen die Anlieger!
Der Einzelhandel ist gefährdet? Ja? Ist dann also der Einzelhandel in Fußgängerzonen noch gefährdeter, wo keine Autos fahren? Welchen Reiz hat aber ein Stadtteil, wie er sich jetzt darbietet, durchzogen von einer vierspurigen Stadtautobahn, die immer wieder zum Schnellfahren verführt, zu riskanten Überholmanövern und hochtourigem Fahrstil? Man schlendert nicht gern dort entlang, um die Auslagen in den Geschäften anzusehen und gemütlich einzukaufen – man flüchtet eher durch!! Das eigene Wort ist kaum mehr zu verstehen, die Luft ist schlecht. Einspurige Verkehrsführung für PKW würde den Schallpegel deutlich senken, die Ampelschaltung würde für guten Verkehrsfluß sorgen; die Hochpflasterung ist für Fußgänger mit Kinderwagen und ältere Menschen kein Problem - außerdem sind eben nur zwei Autofahrspuren zu überqueren! Die Straßenbahn bietet zudem ein gemütliches und schnelles Fortbewegungsmittel. Für den Einzelhandel sehe ich keine Gefährdung bei der neuen Straßenbahn – nur, wenn alles so bleibt wie jetzt, wird er es schwer haben.
Der Bund trägt über die Hälfte der Baukosten! Nebenbei wird die marode Schwachhauser Heerstraße saniert! Zur Verlängerung der Linie 6 würde die Unterstützung des Bundes ausbleiben und der Zustand der betreffenden Straßenzüge bliebe schlecht. Es ist auch zu befürchten, daß das Projekt aus Geldmangel liegenbleiben würde; die Linie 6 nie bis nach Lilienthal verlängert und im öffentlichen Nahverkehr als Alternative zur Linie 4 nichts geschehen würde. Schade, daß Sie einer 60er Jahre Politik nachhängen und das Auto so hochhalten. Aber das ist typisch für ihre Partei. Derweil wird das Lebensumfeld der Menschen dieser Stadt mehr und mehr zum Maschinenpark. Eine echte Alternative zur Groß-Carrerabahn Schwachhausen-Horn/Lehe bietet ein leistungsfähiger öffentlicher Nahverkehr.
Ich fordere Sie dazu auf, dazu beizutragen, daß das Ruder rumgerissen wird weg vom Auto hin zum starken öffentlichen Nahverkehr. Der Stau, der kommt, wenn nichts dergleichen passiert, der bleibt!
Georg Greiwe
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