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Archiv-Artikel

ZWISCHEN DEN RILLEN Verausgabung als Prinzip

Zun Zun Egui, „Katang“ (Bella Union/Cooperative Music)

Zun Zun Egui wechseln ständig die Sprache, verständlich sind ihre Songs trotzdem

Das Prinzip Pop ist eng mit dem Prinzip Hoffnung verwandt: So wie man bei Zweiterem hofft, dass das schon klappen wird, hofft man bei Ersterem, dass das mit Revolution, Liebe oder sonstigen Erlösungswünschen nur hinhauen wird, wenn man die richtigen Lieder hört. Es lässt sich also sagen, dass Pop zu einem gewissen Teil auch Selbstbetrug ist, etwa, wenn man – wie der eine oder andere Blog – die britische Band Zun Zun Egui nach den Riots von Anfang August zu den Rettern der multikulturellen Gesellschaft ihrer Heimat ausruft.

Vermutlich ist es dann auch übertrieben, der Band aus Bristol ein Authentizitätsplus gegenüber anderen Bands, die Indie-Rock mit Weltmusik zusammendenken, zu attestieren. Vampire Weekend oder Yeasayer mögen zwar keinen Kushul Gaya aus Mauritius und keine Yoshino Shigihara aus Japan als Bandmitglieder haben, Fela Kuti und Konsorten können sie aber ebenso gut hören – und welche Musik sie machen, steht sowieso auf einem anderen Blatt.

Für Zun Zun Egui bedeutet Musik zu machen, Indie-Rock mit Jazz, Funk und Afrobeat zu verbinden und sich dabei bis zum Letzten zu verausgaben. In dieser Hinsicht kann ihre Heimatstadt Bristol auf eine lange Tradition zurückblicken, die mit der Postpunkband The Pop Group begonnen hat. Die Originalität von Zun Zun Egui liegt ähnlich wie bei ihren Ahnen im Willen zur Überdrehtheit, der ihr Debütalbum „Katang“ in jeder Sekunde brodelnd und treibend macht. Nicht der Hype in den Blogs hat Zun Zun Egui bekannt gemacht, sondern beständiges Touren durch kleine britische Clubs. Ihre Songs machten nicht im Internet die Runde, sie waren auf eine CD-R gebrannt, die die Band nach den Konzerten verkauft hat.

Auch auf „Katang“ ist die Energie ihrer Liveauftritte beibehalten. In der Singleauskoppelung „Fandango fresh“ wiederholt die Gitarre Melodieschnipsel, der Synthesizer mäandert lustig im Hintergrund und Schlagzeuger Matthew Jones benutzt alle Trommeln, um seine Kollegen nach vorn zu treiben. Dazu schreit Gaya eine einigermaßen unzusammenhängende Geschichte um die Zeile „sexy worm, you got the bird“.

Allerdings nehmen sich Zun Zun Egui auf „Katang“ auch kleine Verschnaufpausen wie das von psychedelisch-flirrenden Synthesizerlinien durchzogene „Shogun“ oder die Wüstenwind-Ode „Sirocco“. Erst die langsameren Songs machen „Katang“ zum gelungenen Album. Zun Zun Egui hätte auch zehn Uptempo-Songs aufnehmen können, die dafür gemacht sind, dass die Menge am Ende des Konzerts durchgeschwitzt und außer Atem ist. Stattdessen hält die Band aus Bristol die Idee des Albums hoch. Dabei läge das für Zun Zun Egui gar nicht so nahe. Denn die zentrale Frage von „Katang“ lautet: Wie viel Improvisation verträgt ein Popsong? Mehr als die Hälfte der Songs ist über vier Minuten lang, die erste Viertelstunde von „Katang“ besteht nur aus einem einzigen Song.

Auf das fast siebenminütige „Katang“ folgt ein kurzes Instrumental, das wiederum direkt in das siebeneinhalbminütige „Mr. Brown“ übergeht. Innerhalb dieser Viertelstunde wechseln Zun Zun Egui Tempi, Rhythmen und sogar die Sprache fast nach Belieben. Trotzdem funktionieren „Katang“ und „Mr. Brown“ auch als eigenständige Songs.

Überhaupt spielt die Stimme eine interessante Rolle bei Zun Zun Egui. Gitarrist Gaya und Keyboarderin Shigihara singen nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Französisch, Kreolisch und Japanisch. Dieses Sprachgewirr macht es für durchschnittliche Indie-Hörer zwar schwer, den Texten zu folgen, aber fürs Verständnis der Musik ist es nicht entscheidend. Denn Zun Zun Egui setzen die Stimme als Instrument ein, und das Wechseln von Sprachen ist für sie ohnehin wichtiger als der Sinn der Worte. Der Liebe oder der Revolution hilft das freilich alles nicht, am ehesten trägt „Katang“ ob gelegentlicher Gospel-Anklänge noch zur Erlösung bei. Man hat aber auch Spaß an diesem Album, wenn man sich die Musik einfach so anhört.

ELIAS KREUZMAIR