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Verarbeitung von Enkes Tod im Internet"Halt das Himmelstor sauber"

Wer sich ansieht, wie im Internet um Robert Enke getrauert wird, bekommt das Gefühl, auf dem Schulhof zu sein. Fast jeder Jugendliche kann sich mit Enke identifizieren.

"ruhe in Frieden Robert Enke...und halt das Himmelstor sauber!" kommentiert das Youtube-Video der User "90RUE". Bild: screenshot youtube

Man weiss, dass man stirbt, doch von der Wirklichkeit des Todes erfährt man erst, wenn ein anderer, den man eben noch gesehen hat, stirbt. Viel mehr noch als der Tod von Michael Jackson hat Robert Enkes Selbstmord die Menschen erschüttert. Eben, am Sonntagabend, hatte man ihn noch gesehen wie er gegen den HSV zwischen den Pfosten stand, wie er nach dem Spiel sein letztes Interview gab, schon war er tot. Der Eindruck, den sein Tod auf die Menschen gemacht hat, war so groß, weil alles nicht zusammenzupassen schien: Der Torhüter, der vielleicht bei der anstehenden WM die Nummer 1 gewesen wäre - als Torwart grundsätzlich in einer Position zwischen Held und Versager - ein Mann, der großes privates Unglück gemeistert zu haben schien.

Die Medienmaschine lief an. Es war erstaunlich, wie angemessen die Fussballverantwortlichen reagierten, bewundernswert, wie seine Frau die Pressekonferenz gab. Die traditionellen Medien berichteten, die Schlagzeilen der Boulevardpresse waren abstoßend. Schnell kamen auch die Artikel über die Berichterstattung, die erklärten, weshalb dieser Tod so eingeschlagen hatte.

Im Internet wurde persönlicher getrauert. Auf Youtube gibt es über zweitausend Videos, die sich mit Enke beschäftigen. Manche dieser Videos wurden über 400.000 mal angeklickt. Manchmal sind es Fotoserien mit Schrift - "er hinterläßt ... wir trauern ... unser Mitgefühl gilt ..." und trauriger Musik von Johnny Cash, Peter Maffay, Matthias Reim, Freddy Mercury und Michael Jackson natürlich. Manchmal Spiel-Ausschnitte mit Interviews. Das letzte Interview mit dem letzten Satz: "Es ist okay so, ist alles gesagt." Die Trauerminute beim Spiel zwischen Barcelona und Culturla Leonesa. Immer wieder Familienbilder. Unendlich viele Kommentare - auch auf Englisch, Spanisch oder Russisch - in der üblichen Internetrechtschreibung:

"ich lag im krankenhaus als ich davon erfuhr ein rießen schock für mich!!! er war so ein guter mensch der viel zu früh von uns gegangen ist.... mein beleid gilt vorallem seiner frau und seiner familie drum habe ich gestern extra ihm ein video gewidmet was ich unter sehr viel tränen gemacht habe", schreibt Leonardo 1988. "ruhe in Frieden Robert Enke...und halt das Himmelstor sauber!" schreibt "90rue".

"robertemke1" kommentiert: "starkes video. ich bekomme immenoch gänsehaut. war bis jetzt jeden tag am stadion seit dem 10.11. war in der kirche beim trauermarsch kann es immernoch nicht wahr haben. du wirst uns fehlen."

"Das war alles vegangenheit. Denn heute stand in jeder Zeitung: Enke Tod." steht am Ende des Videos weiss auf rotem Grund, schwarz umrandet. Dazu: "We are the world we are the children".

In den Rechtschreibfehlern teilt sich etwas von der Traueraufregung mit, wenn jemand schreibt: "REST IN PIECE" oder "ddas video ist der hammer...!!! unglaublich toll...!!! unfassbar, bin immer noch zu tiefst erschüttert"

Es gibt auch mehrere Robert Enke gewidmete Gruppen auf Facebook. Eine hat 26.345 Mitglieder. Und natürlich die fussballorientierten Foren im Internet. Die Beiträge sind angemessen; nachdenklich. Manche rufen auch dazu auf, die Spieler der Gegenmannschaft nicht mehr zu beschimpfen. Die Fans von Bosnien-Herzegowia werden bei ihrem Play-Off-Spiel gegen Portugal ein Enke-Transparent mitnehmen.

Es gibt alle erwartbaren Reaktionen; auch die Vorwürfe der Lebenden, die es nicht ertragen können, wenn sich jemand entscheidet zu gehen. Das Denken an den Lokführer, Diskussionen über Depressionen, Psychopharmaka, jemand, der zum Islam übergetreten ist, spricht über Depressionen, auch den Vorwurf an die Medien, voyeuristisch zu sein, ohne zu bedenken, dass man im Internet ja auch Teil der Medienwelt ist. Geschmacklosigkeiten gibt es auch, aber die sind selten.

Wenn man das alles liest und sich anschaut hat man das Gefühl, auf dem Schulhof zu sein, unterschiedlichen, geschockten Jugendlichen zuzuhören, wie sie sich über den Selbstmord eines Mitschülers unterhalten. Fast jeder Jugendliche kann sich mit Enke identifizieren. Fast jeder Jugendliche kennt die Angst vor dem Versagen, weiss, wie es ist, Schwächen verstecken zu müssen, fast jeder Jugendliche hat sich schon einmal vorgestellt, sich umzubringen und überlegt, welche Art die beste wäre.

Wie man im Internet über den Tod von Robert Enke spricht, wie man seiner gedenkt, kommt mir angemessener vor, als der Umgang der traditionellen Medien, die, weil sie notgedrungen unpersönlicher sind und um Auflagen und Quoten konkurrieren, dem Tod ferner stehen.

Der Artikel, der mir am besten gefiel, erschien auf der Internetseite des Kinderradios "Lilipuz". Darin heisst es: "Robert Enke hatte eine Krankheit, die heißt Depression. Leute, die das haben, sind ganz oft traurig, mutlos und haben Angst, Fehler zu machen. Und wenn diese Angst ganz schlimm wird, kann es passieren, dass die Leute keine Kraft mehr haben zu leben. Nicht viele Menschen wussten von Robert Enkes Depressionen. Er hat sie geheim gehalten. Unter anderem, weil Fußball ein hartes Geschäft ist, mit dem viele Menschen viel Geld verdienen. Da muss man als Spieler sehr stark sein und viel Kritik einstecken. Damit kam der Torwart vielleicht nicht klar."

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