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■ Veba-Konzern will aus der Plutoniumwirtschaft aussteigenEnde eines Ammenmärchens

Die Idee klang bestechend gut: Wir bauen eine Maschine, die mit ihren eigenen Abfällen Energie erzeugt. Natürlich hat diese Maschine nie funktioniert, erstaunlich ist nur der Glaube, daß sie funktionieren könnte. Reste dieser schon physikalisch absurden Annahme haben sich bis heute erhalten, sie eignen sich gelegentlich als verbales Spielmaterial für ideologische Grundsatzdebatten über den technischen Fortschritt. Ruinen wie der Betonkoloß des Schnellen Brüters von Kalkar zeugen davon, daß auch Leute, die rechnen können, Geld und Verstand in das Ammenmärchen investiert haben. Widerstrebend zwar, dann aber doch geblendet von Suggestion, die verantwortungslose Politiker erzeugt haben.

Nicht zum erstenmal ist es der Branchenführer der deutschen Atomwirtschaft, der diesem Spiel ein Ende bereitet. Es ist zu teuer geworden. Der Veba-Konzern und seine Atomtochter PreussenElektra verhandeln mit dem französischen Betreiber der Wiederaufbereitungsanlage von La Hague nicht über den Ausstieg aus dem Plutoniumkreislauf, der bisher als rechtliche und wirtschaftliche Grundlage des nuklearen Abenteuers galt. Sie verhandeln über die Begrenzung der Kosten dieses Ausstiegs, der bereits beschlossen ist.

Damit sind Fakten geschaffen, an denen die politischen Parolen beider Seiten zu messen sind. Der Bonner Umweltminister ist noch dabei, die Scherben seines Konzepts einzusammeln. Zu kitten ist nichts mehr, das deutsche Atomprogramm ist auf das Problem reduziert, das illusorischerweise die Lösung sein sollte: auf den Müll. Dem Ausstieg aus der Plutoniumwirtschaft wird deshalb der Ausstieg aus der Atomtechnik überhaupt folgen. Die Atomreaktoren erzeugen mit jeder Megawattstunde Strom unsinnige Mengen radioaktiver Stoffe, die für Generationen eine kaum zu bewältigende Gefahr darstellen. Keine Volkswirtschaft kann mit einem solchen Kredit auf die Zukunft ihrer Bevölkerung leben, der ökonomische Zwang wird den kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Gewinn in wenigen Jahren aufzehren, den die Stromkonzerne heute noch verbuchen mögen.

Auch die Lobbyisten der Branche und ihre Wortführer in der Regierung werden sich diesem Realismus beugen. Es wird ihnen die Sprache verschlagen. Heute wird noch mit den französischen Atommanagern verhandelt, schon morgen aber mit den Kritikern der Atomenergie, nicht mit ihren Apologeten. Denn nur die Gegner von gestern können Antworten geben auf die Fragen, die sich jetzt stellen. Konzepte für eine Energiewirtschaft ohne Atomstrom liegen bereits vor. Sie müssen mit den Energiekonzernen zusammen umgesetzt werden. Andere Partner sind nicht in Sicht. Konzepte für eine auch nur halbwegs sichere Aufbewahrung des radioaktiven Abfalls liegen nicht vor.

Das Märchen vom ewigen Plutoniumkreislauf ist zu Ende, jetzt müssen verantwortliche Vorschläge auf den Tisch, wie der bereits eingetrete Schaden denn zu begrenzen sei. Bezahlen müssen die Konzerne, die Ideen jedoch müssen die Atomkritiker liefern. Niklaus Hablützel

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