: Vanitas in Nebraska
UNBEKANNTES WERK Opulenter Barock und stille Intimität prägen die Fotografien der gebürtigen Berlinerin Vera Mercer in der Kommunalen Galerie Berlin
Unterschiedlicher könnten sie kaum sein, die beiden Werkgruppen der lange Zeit nahezu unbekannten Fotokünstlerin Vera Mercer, die zurzeit in der Kommunalen Galerie in Charlottenburg von Matthias Harder, Kurator des Museums für Fotografie, präsentiert werden. Die Künstlerporträts aus den 1960er-Jahren zeigen Intellektuelle und enge Freunde aus der Pariser Avantgarde der damaligen Zeit, die später unter dem Namen der „Nouveau Réaliste“ in die Kunstgeschichte eingehen sollten. Vertieft in die Arbeit mit Bauteilen sehen wir Jean Tinguely, im Café mit Eva Aeppli Niki de Saint-Phalle, Marcel Duchamp in seinem Atelier hinter seinem berühmten Fahrrad-Rad, aber auch Schriftsteller wie Samuel Beckett und Eugene Ionesco. Und schließlich Daniel Spoerri, den Vera Mercer 1958 geheiratet hatte und mit dem sie ein Jahr später nach Paris gezogen war.
Berührend an diesen Schwarz-Weiß-Fotografien ist ihre Intimität, die aus der Freundschaft zu den Porträtierten resultiert. Auf frühen Reisen entstehen außerdem Aufnahmen von Andy Warhol und Norman Mailer. Auch nach der Trennung von Spoerri arbeitet die gebürtige Berlinerin als Auftragsfotografin für Theater heute und skandinavische Zeitschriften, in denen ihre Porträts veröffentlicht wurden.
Das ganze Gegenteil von den spontan, aus dem intimen Augenblick entstandenen, eher kleinformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien sind die farbenprächtigen, barock anmutenden inszenierten Stillleben, an denen Mercer seit 2004 arbeitet. Sorgfältig arrangiert entstehen in Paris oder ihrer neuen Heimat Omaha, Nebraska, Kompositionen aus Tierkadavern, Blumen und Früchten, die deutlich an altmeisterliche Stillleben anknüpfen, mit offenen Verweisen auf das klassische Vanitasmotiv.
Besonders auffällig ist die ausgewogene Farbkomposition in Fotoarbeiten wie „White Goose“ (Omaha, 2009) oder „Nakes Deer Head“ (Omaha, 2008), der Mercer mit der Nachbearbeitung am Computer und etlichen Probedrucken den größten Aufwand widmet. Das Ergebnis sind beeindruckende Farbfotografien, die bis in die Textur des Hintergrunds hinein durch und durch malerisch wirken. Das Spiel mit den Größenverhältnissen der fotografierten Gegenstände und die ungewöhnliche Kombination von Motiven erzeugen darüber hinaus einen surrealistischen Eindruck von großer Magie. ANGELA HOHMANN
■ „Vera Mercer: Porträts und Stillleben“, bis 25. April, Kommunale Galerie Berlin, Hohenzollerndamm 176, Di.–Fr. 10–17 Uhr, Mi. 10–19 Uhr, So. 11–17 Uhr. Empfehlenswert: „Vera Mercer, Photographs and Still Lifes“, hrsg. von Matthias Harder. Kehrer Verlag, Heidelberg 2010, 108 Seiten, 39 Farb- und 22 S/W-Abb., Deutsch/Englisch, 25 Euro