Vandalismus im Szenequartier: Klirrende Schanze
Laut Polizeiangaben ist die Hochzeit der zerstörten Fensterscheiben im Schanzenviertel vorbei. Die GeschäftsinhaberInnen sind dennoch besorgt.
Mehr als zwei Monate waren die Fensterscheiben des Bio-Marktes in der Schanzenstraße zersplittert, erst am gestrigen Dienstag wurden sie repariert. "Wir haben uns nach dem Angriff überlegt, mit der Reparatur auf das Schanzenfest zu warten", sagt Filialleiter Christian Vogt. "Nach all der Randale der letzten Jahre hatten wir die Sorge, dass auch unser Markt wieder angegriffen würde." Aus diesem Grund postierte Vogt in der Nacht von Samstag auf Sonntag einen Wachmann in seinem Laden. Geholfen hat dies nur bedingt. Während der Nacht zerstörten Krawallos eine weitere Fensterscheibe.
"Entglasung", wie das Steine-Werfen in der Szene genannt wird, ist im Schanzenviertel seit langem ein Thema. Während beim Schanzenfest der blinde Vandalismus vorherrscht, stehen die Stein-Attacken ansonsten im politischen Kontext der Kritik an der Gentrifizierung.
"Bei uns wurden im Mai zum wiederholten Male Scheiben eingeschmissen", sagt Kaike Nissen, die Leiterin des Modegeschäfts Hummel in der Schanzenstraße. "Deswegen haben wir uns eine neue Alarmanlage angeschafft." Am Wochenende blieb ihr Laden unbeschadet, für Nissen könnte das mit dem Standing des Geschäfts in der linken Szene zu tun haben. "Wir haben uns einen guten Ruf erarbeitet und ziehen daher die Aggressionen nicht mehr so auf uns", sagt sie.
Insbesondere im Winter 2008/2009 wurden im Schanzenviertel viele Scheiben eingeworfen. Optiker, Kneipen und Modegeschäfte wurden Ziele der Attacken. Auch in diesem Jahr klirrt es immer mal wieder. Bei der Demo "Stadt selber machen - für das Recht auf Stadt", die sich am 30. April gegen "kapitalistische Stadtentwicklung und Gentrifizierung" einsetzte, flogen Steine.
Wenige Wochen später, am 12. Juni, wurde dann der neu eröffnete Bio-Markt in der Schanzenstraße Opfer der "Entglasung". Nach Polizeiangaben zerstörten etwa 15 vermummte Personen insgesamt 24 Scheiben. Zudem bewarfen sie die Fassade mit farbgefüllten Marmeladengläsern. Die Polizei stellte damals ein Bekennerschreiben mit der Überschrift "Gegen Verdrängung kämpfen" sicher. Die TäterInnen entkamen. Filialleiter Vogt hält die Attacke für ein Missverständnis. "Die Randalierer haben nichts gegen uns", sagt er. "Sie wenden sich gegen die schweine-teuren Eigentumswohnungen über unserem Markt. Dabei haben wir doch gar nichts mit denen zu tun."
Eigentumswohnungen waren auch in der Nacht auf den 15. August Ziele von Steinwürfen, außerdem wurden mit Lackfarbe gefüllte Gurkengläser geworfen. Beim Neubau am Kleinen Schäferkamp zersplitterten dabei die großen Scheiben im Eingangsbereich.
Für die Polizei sind die Hauptzeiten der "Entglasung" aber vorbei. "Die Anzahl der Sachbeschädigungen in der Schanze ist rückläufig", sagt Polizeisprecher Holger Vehren.
Dennoch ist die Gefahr für die GeschäftsinhaberInnen noch immer präsent. So wollen sich weder die InhaberInnen des Apple-Stores in der Schanzenstraße, der bereits mehrmals Opfer von Steinwürfen wurde, noch die MitarbeiterInnen einiger weiterer Geschäfte im Schanzenviertel zu ihren Schäden und Sorgen äußern.
Auch Tim Mälzers Restaurant "Bullerei" wurde im letzten Frühjahr mit Farbbeuteln beworfen. Seitdem blieb es jedoch ruhig. "Wir haben von vorneherein mit den verschiedenen Initiativen hier einen Dialog geführt und gemeinsam Aktionen geplant", sagt Mit-Inhaber Patrick Rüther. "Eine ehrliche Kommunikation und authentische Diskussion ist einfach unabdingbar."
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