piwik no script img

Vandalismus im SzenequartierKlirrende Schanze

Laut Polizeiangaben ist die Hochzeit der zerstörten Fensterscheiben im Schanzenviertel vorbei. Die GeschäftsinhaberInnen sind dennoch besorgt.

Zerstörte Scheiben des Bio-Marktes in der Schanzenstraße (links). Unversehrte Eigentumswohnungen darüber (rechts). Bild: Frederik Schäfer

Mehr als zwei Monate waren die Fensterscheiben des Bio-Marktes in der Schanzenstraße zersplittert, erst am gestrigen Dienstag wurden sie repariert. "Wir haben uns nach dem Angriff überlegt, mit der Reparatur auf das Schanzenfest zu warten", sagt Filialleiter Christian Vogt. "Nach all der Randale der letzten Jahre hatten wir die Sorge, dass auch unser Markt wieder angegriffen würde." Aus diesem Grund postierte Vogt in der Nacht von Samstag auf Sonntag einen Wachmann in seinem Laden. Geholfen hat dies nur bedingt. Während der Nacht zerstörten Krawallos eine weitere Fensterscheibe.

"Entglasung", wie das Steine-Werfen in der Szene genannt wird, ist im Schanzenviertel seit langem ein Thema. Während beim Schanzenfest der blinde Vandalismus vorherrscht, stehen die Stein-Attacken ansonsten im politischen Kontext der Kritik an der Gentrifizierung.

"Bei uns wurden im Mai zum wiederholten Male Scheiben eingeschmissen", sagt Kaike Nissen, die Leiterin des Modegeschäfts Hummel in der Schanzenstraße. "Deswegen haben wir uns eine neue Alarmanlage angeschafft." Am Wochenende blieb ihr Laden unbeschadet, für Nissen könnte das mit dem Standing des Geschäfts in der linken Szene zu tun haben. "Wir haben uns einen guten Ruf erarbeitet und ziehen daher die Aggressionen nicht mehr so auf uns", sagt sie.

Insbesondere im Winter 2008/2009 wurden im Schanzenviertel viele Scheiben eingeworfen. Optiker, Kneipen und Modegeschäfte wurden Ziele der Attacken. Auch in diesem Jahr klirrt es immer mal wieder. Bei der Demo "Stadt selber machen - für das Recht auf Stadt", die sich am 30. April gegen "kapitalistische Stadtentwicklung und Gentrifizierung" einsetzte, flogen Steine.

Wenige Wochen später, am 12. Juni, wurde dann der neu eröffnete Bio-Markt in der Schanzenstraße Opfer der "Entglasung". Nach Polizeiangaben zerstörten etwa 15 vermummte Personen insgesamt 24 Scheiben. Zudem bewarfen sie die Fassade mit farbgefüllten Marmeladengläsern. Die Polizei stellte damals ein Bekennerschreiben mit der Überschrift "Gegen Verdrängung kämpfen" sicher. Die TäterInnen entkamen. Filialleiter Vogt hält die Attacke für ein Missverständnis. "Die Randalierer haben nichts gegen uns", sagt er. "Sie wenden sich gegen die schweine-teuren Eigentumswohnungen über unserem Markt. Dabei haben wir doch gar nichts mit denen zu tun."

Eigentumswohnungen waren auch in der Nacht auf den 15. August Ziele von Steinwürfen, außerdem wurden mit Lackfarbe gefüllte Gurkengläser geworfen. Beim Neubau am Kleinen Schäferkamp zersplitterten dabei die großen Scheiben im Eingangsbereich.

Für die Polizei sind die Hauptzeiten der "Entglasung" aber vorbei. "Die Anzahl der Sachbeschädigungen in der Schanze ist rückläufig", sagt Polizeisprecher Holger Vehren.

Dennoch ist die Gefahr für die GeschäftsinhaberInnen noch immer präsent. So wollen sich weder die InhaberInnen des Apple-Stores in der Schanzenstraße, der bereits mehrmals Opfer von Steinwürfen wurde, noch die MitarbeiterInnen einiger weiterer Geschäfte im Schanzenviertel zu ihren Schäden und Sorgen äußern.

Auch Tim Mälzers Restaurant "Bullerei" wurde im letzten Frühjahr mit Farbbeuteln beworfen. Seitdem blieb es jedoch ruhig. "Wir haben von vorneherein mit den verschiedenen Initiativen hier einen Dialog geführt und gemeinsam Aktionen geplant", sagt Mit-Inhaber Patrick Rüther. "Eine ehrliche Kommunikation und authentische Diskussion ist einfach unabdingbar."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

10 Kommentare

 / 
  • S
    Steffan

    @ Weißnix:

    Bei dem was du zu den Randalen geschrieben hast, kann ich dir zustimmen, da muss es bessere Wege geben, aber da ist dann auch sie Stadt gefragt bestimmte Arten von Gewerbe aus bestimmten Gebieten ausszuschließen.

     

    Die andere Sache mit dem Lärm. Es ist ja nicht so, dass in der Schanze und St. Pauli nur Menschen leben, die erst vor 3 Jahren dahin gezogen sind. Es gibt auch Bewohner die da schon ihr Leben lang wohnen und erst seit ca. 3 Jahren geht es ja so richtig los damit, dass hier überall auch in vormals eher ruhigen Ecken bspw. Wohlwillstraße, Hein-Hoyer-Straße ein Kiosk nach dem anderen aufmacht, die dann auch die ganze Nacht geöffnet haben und so erst das Partyvolk anzieht und dann auch direkt vor dem Laden, bzw. zu Füßen der Wohnhäuser hält.

    Wenn man da neu hinzieht, dann weiß man schon worauf man sich einlässt, aber wer hätte denn vor noch vielleicht 10 Jahren vermutet, dass das mit der Gastronomie in der Schanze nachts so schlimm wird wie etwa Hamburger Berg?

  • W
    Weißnix

    "Und was ist mit dem mehrmals in der Woche "klirrenden" Alkoholterrorismus der besoffenen Gäste im Viertel?"

     

    ...nunja,... also, vielleicht gibt es Ausnahmen aber an sich kann ich es nicht nach vollziehen, dass Jemand in die Innenstadt zieht, zudem in die Nähe vom Kiez den es seit wievielen hundert Jahren gibt?, egal sich dann aber über Lautstärke, und Alkohlismus etc. beschwert...dass ist so wie sich einige über Kinderlärm aufregen...

    sorry, da kann ich nur den Kopf schütteln...und was die Randale angeht...wie lange geht dass nun schon? Und was hats Euch gebracht? Mc Donnalds, noch mehr Ketten etc... also nichts... vielleicht sollte man auch hier einmal umdenken, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt als Vandalismus, der immer weiter weg von der eigentlichen politischen Idee geht und hin zum "Vandaltourismus"...die Hälfte von den Chaoten weiß vermutlich gar nicht worum es überhaupt geht...

  • P
    pablo

    sie haben alle vorher gewusst auf was sie sich einlassen. sie haben gewusst das sie dort nicht von allen freundlich empfangen werden. nun sollen sie nicht jammern, sie wussten es schon vorher das einige etwas gegen sie haben und diese, das wussten sie auch vorher, sind diejenigen die nicht nur reden sondern handeln.

    sie sind in die schanze gekommen um vom allternetiven flair zu profitieren und zerstören das wovon sie profitiert haben.

    es sdarf sich keiner wundern wenn wir uns die stadt stein für stein zurück holen sie haben den wind gesät und dafür erntet sie den sturm.

  • M
    Michi

    "Die Randalierer haben nichts gegen uns", sagt er. "Sie wenden sich gegen die schweine-teuren Eigentumswohnungen über unserem Markt. Dabei haben wir doch gar nichts mit denen zu tun."

     

    Ich fürchte fast, dass das etwas zu naiv ist. Nur weils ein Biomarkt ist (aber ja auch einer einer größer werdenden Kette), heißt es ja nicht, dass dieser nicht auch ein Teil der Gentrifizierung sein kann. Denn der Markt befindet sich ja in eben diesem neugebauten Komplex und wer kauft da ein? Die Bewohner der netten Wohnungen von oben.

  • L
    Leon

    Und was ist mit dem mehrmals in der Woche "klirrenden" Alkoholterrorismus der besoffenen Gäste im Viertel? Ach nee, da gibt es ja keine Anzeigen ... jedenfalls ist der nicht rückläufig durch Verdrängung von Geschäften vermittels Kiosken und Gaststätten.

     

    Aber schön, dass Ihr nicht auf den Schanzenfest"krawall"zug aufgesprungen seid. Danke!

     

    PS und Humor bei dem AntiSpamPassword habt Ihr auch, aktuell: "gras"

  • S
    Steffan

    @ Weißnix:

    Bei dem was du zu den Randalen geschrieben hast, kann ich dir zustimmen, da muss es bessere Wege geben, aber da ist dann auch sie Stadt gefragt bestimmte Arten von Gewerbe aus bestimmten Gebieten ausszuschließen.

     

    Die andere Sache mit dem Lärm. Es ist ja nicht so, dass in der Schanze und St. Pauli nur Menschen leben, die erst vor 3 Jahren dahin gezogen sind. Es gibt auch Bewohner die da schon ihr Leben lang wohnen und erst seit ca. 3 Jahren geht es ja so richtig los damit, dass hier überall auch in vormals eher ruhigen Ecken bspw. Wohlwillstraße, Hein-Hoyer-Straße ein Kiosk nach dem anderen aufmacht, die dann auch die ganze Nacht geöffnet haben und so erst das Partyvolk anzieht und dann auch direkt vor dem Laden, bzw. zu Füßen der Wohnhäuser hält.

    Wenn man da neu hinzieht, dann weiß man schon worauf man sich einlässt, aber wer hätte denn vor noch vielleicht 10 Jahren vermutet, dass das mit der Gastronomie in der Schanze nachts so schlimm wird wie etwa Hamburger Berg?

  • W
    Weißnix

    "Und was ist mit dem mehrmals in der Woche "klirrenden" Alkoholterrorismus der besoffenen Gäste im Viertel?"

     

    ...nunja,... also, vielleicht gibt es Ausnahmen aber an sich kann ich es nicht nach vollziehen, dass Jemand in die Innenstadt zieht, zudem in die Nähe vom Kiez den es seit wievielen hundert Jahren gibt?, egal sich dann aber über Lautstärke, und Alkohlismus etc. beschwert...dass ist so wie sich einige über Kinderlärm aufregen...

    sorry, da kann ich nur den Kopf schütteln...und was die Randale angeht...wie lange geht dass nun schon? Und was hats Euch gebracht? Mc Donnalds, noch mehr Ketten etc... also nichts... vielleicht sollte man auch hier einmal umdenken, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt als Vandalismus, der immer weiter weg von der eigentlichen politischen Idee geht und hin zum "Vandaltourismus"...die Hälfte von den Chaoten weiß vermutlich gar nicht worum es überhaupt geht...

  • P
    pablo

    sie haben alle vorher gewusst auf was sie sich einlassen. sie haben gewusst das sie dort nicht von allen freundlich empfangen werden. nun sollen sie nicht jammern, sie wussten es schon vorher das einige etwas gegen sie haben und diese, das wussten sie auch vorher, sind diejenigen die nicht nur reden sondern handeln.

    sie sind in die schanze gekommen um vom allternetiven flair zu profitieren und zerstören das wovon sie profitiert haben.

    es sdarf sich keiner wundern wenn wir uns die stadt stein für stein zurück holen sie haben den wind gesät und dafür erntet sie den sturm.

  • M
    Michi

    "Die Randalierer haben nichts gegen uns", sagt er. "Sie wenden sich gegen die schweine-teuren Eigentumswohnungen über unserem Markt. Dabei haben wir doch gar nichts mit denen zu tun."

     

    Ich fürchte fast, dass das etwas zu naiv ist. Nur weils ein Biomarkt ist (aber ja auch einer einer größer werdenden Kette), heißt es ja nicht, dass dieser nicht auch ein Teil der Gentrifizierung sein kann. Denn der Markt befindet sich ja in eben diesem neugebauten Komplex und wer kauft da ein? Die Bewohner der netten Wohnungen von oben.

  • L
    Leon

    Und was ist mit dem mehrmals in der Woche "klirrenden" Alkoholterrorismus der besoffenen Gäste im Viertel? Ach nee, da gibt es ja keine Anzeigen ... jedenfalls ist der nicht rückläufig durch Verdrängung von Geschäften vermittels Kiosken und Gaststätten.

     

    Aber schön, dass Ihr nicht auf den Schanzenfest"krawall"zug aufgesprungen seid. Danke!

     

    PS und Humor bei dem AntiSpamPassword habt Ihr auch, aktuell: "gras"