: V.P. Singh in höchster Bedrängnis
■ Ehemalige Mitstreiter verschärfen parteiinterne Kampagne gegen Singh
Neu-Delhi (ap/afp) — Als Folge des Blutvergießens zwischen Hindus und Moslems steht der indische Ministerpräsident Vishwanath Pratap Singh in seiner eigenen Partei, der Janata Dal, mit dem Rücken an der Wand. Sein früherer Stellvertreter Devi Lal forderte Singh am Samstag zum Rücktritt auf, um eine am Mittwoch im Parlament angesetzte Vertrauensabstimmung zu verhindern, bei der ein Sturz der Regierung droht. Dieser würde zur Ausschreibung einer Neuwahl führen.
Die blutigen Zusammenstöße wurden durch den Versuch extremistischer Hindus ausgelöst, eine in dem nordindischen Wallfahrtsort Ayodhya stehende Moschee niederzureißen und anstelle des islamischen Gotteshauses einen Hindutempel zu bauen. Die Hindus glauben, die Moschee sei just am Geburtsort ihrer Gottheit Rama errichtet.
Unterdessen riefen am gestrigen Sonntag militante Hindus zu einem Ende der Belagerung der umstrittenen Moschee auf. Nun solle am 11. November in Neu Delhi ein Welt- Hindu-Rat-Komitee zusammentreten, um die nächste Phase zu beraten.
In den zwölf Tagen seit Beginn der Unruhen sind mindestens 305 Menschen ums Leben gekommen. Die rechtsgerichtete Hindu-Partei Bharatiya Janata, die den Tempelfeldzug eingeleitet hatte, ließ am 23. Oktober mit ihrem Austritt die Koalition platzen. Sie stellt 88 Abgeordnete. Die Nationale Front, ein von der Janata Dal geführtes Bündnis, ist jetzt mit 146 Mandaten in der Minderheit. Die bei der Wahl im November 1989 aus der Regierung verdrängte Kongreßpartei des vormaligen Ministerpräsidenten Rajiv Gandhi hat 210 Sitze.
Laut Informationsminister Parvathaneni Upendra sprachen 90 der 146 Abgeordneten der Nationalen Front Singh einhellig ihr Vertrauen aus. Sechs weitere entschuldigten sich wegen Krankheit oder Abwesenheit. Damit verbleiben 50 potentielle Gegner Singhs.
Zu denen, die der Sitzung vorsätzlich fernblieben, gehörte Devi Lal. Umringt von Anhängern, die sich an seinem Haus eingefunden hatten, rief der 75jährige Lal, der im Sommer nach einem Machtkampf sein Amt als stellvertretender Ministerpräsident verloren hatte, Singh zum Rücktritt als Parteiführer auf, was zugleich ein Abtreten als Regierungschef bedeuten würde. Kurz darauf traf ein weiterer Führungsfunktionär der Partei, Chandra Shekhar, ein und sagte zu Journalisten, er sei bereit, das Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen.
„Selbst gegen die Bildung einer Regierung mit Kongreß-Unterstützung ist nichts einzuwenden“, sagte Chandra Shekhar. „Das Problem, vor dem das Land steht, ist nicht, welche Partei die Regierung unterstützt, sondern welche Regierung die steigende Flut der Gewalt eindämmen und wieder so etwas wie Ordnung herstellen kann.“
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