VORMERKEN : Muster einer Gesellschaft, als Tanz um die iranische Zeitgeschichte im Ballhaus Naunyn
Das kennt man aus der Kindheit. Sonntagnachmittag, einsame Teppichspiele nach dem Mittagessen: Nur auf die gelben Flecken im Muster treten, nicht auf die roten, nicht auf den Rand. Wer patzt, ist des Todes. Ein Zeitvertreib, ein Tanzstück. Allerdings spielt in „Move in Patterns“ diese Kindheit im Iran, in Teheran, nach dem Sturz des Schah-Regimes, Ende der Siebziger. Ein Repressionsmodell ersetzt das andere, die Unterdrücker geben sich die Klinke in die Hand. Was als Befreiung des persischen Volkes gedacht war, pendelt in die andere Richtung. Plötzlich sind Tanz, Feiern und Musik verboten, man muss sich verschleiern und die Menschen ziehen sich in ihre eigenen vier Wände zurück. Frauen werden mehr und mehr aus dem öffentlichen Leben gedrängt. Verbannt ins Wohnzimmer, beginnt ein kleines Mädchen mit den Mustern der Teppiche ihrer Großeltern zu tanzen. „Move in Patterns“ ist eine Auseinandersetzung mit der jüngeren iranischen Geschichte, der Islamischen Revolution vor 30 Jahren. Die getanzten Muster stehen symbolisch für Zwang, Einschränkung, Vorschriften und ein System, das keine Abweichung zulässt. Am morgigen Donnerstag hat das Tanzstück der in Berlin lebenden Choreografin Modjgan Hashemian, die die Beschäftigung mit ihrer iranischen Herkunft zum Hauptmotiv ihrer Produktionen gemacht hat, im Ballhaus Naunynstraße Premiere. Aufführungen bis Dienstag. LY
■ „Move In Patterns“: Ballhaus Naunynstraße, Naunynstraße 27, 25.–30. Juni, 20 Uhr. 10/7 Euro