VFL Wolfsburg vor dem Triumph: Sieger mit vager Zukunft
Die Championsleague ist Wolfsburg sicher - der Titel wahrscheinlich. Fällt die Mannschaft nun auseinander? Magath ist weg und für Dzeko interessieren sich bereits große Klubs.
HANNOVER taz | Edin Dzeko ist kein Mann großer Worte. Bloß ein Mann großer Tore. Eine wunderbare Kombination. Als er gefragt wurde, "wie wichtig", der soeben errungene Sieg sei, antwortete der Wolfsburger Stürmer: "Sehr wichtig."
Da hat er verdammt recht. Der VfL Wolfsburg wird in der kommenden Saison erstmals in der Champions League spielen. Das steht nach dem 5:0 bei Hannover 96 fest und hat sicher eine historische Dimension.
Ein Remis am kommenden Samstag gegen Werder Bremen würde dem Tabellenführer bei zwei Punkten Vorsprung aller Wahrscheinlichkeit nach reichen, um diese Dimension noch deutlich zu steigern und den 1. Platz zu halten - die erste deutsche Meisterschaft. Trainer Felix Magath kündigte noch in Hannover an, man werde "auf Sieg spielen."
Eine Woche wird nun spekuliert werden, ob Wolfsburg den Titel nicht schon in der Tasche hat, ob Werder drei Tage nach seinem Uefapokal-Finale gegen Donezk wird gegenhalten können und wollen.
Ob die Wolfsburger Heimstärke den Ausschlag gibt (14 Siege, 2 Remis). Ob es was zu sagen hat, dass man allerdings ausgerechnet gegen Werder im Pokalviertelfinale verlor - und dann auch noch 2:5.
Ob Bayern und Stuttgart womöglich remis spielen und dem VfL auch eine Niederlage reicht. Undsoweiterundsofort. Wissen kann es keiner. Also warten wir es ab.
Der Kantersieg in Hannover am vorletzten Spieltag war jedenfalls einmal mehr eine beeindruckende Vorstellung - und es war eine bemerkenswert klinische. "Wir haben die gesamte Saison darauf hingearbeitet, die Dinge professionell zu sehen und möglichst emotionslos in diese Spiele zu gehen", sagte Magath.
Für die Anhänger der Wölfe mag es unbenommen ein großartiger Nachmittag gewesen sein, für neutrale Zeitzeugen war es nach Dzekos "fantastischem Tor" (Magath) zum 1:0 (14.) ein über weite Strecken totes Spiel.
Zum einen ist für das, was 96 bot, vermutlich das Wort "Sommerfußball" erfunden worden. Zum anderen und zur Ehrenrettung des Tabellenelften war Wolfsburg allerdings auch ohne Kapitän Josue einfach zu organisiert, zu aggressiv, zu effizient, individuell zu stark und setzte so seinen Konterfußball souverän durch.
Selbst Hannovers Trainer Dieter Hecking schwärmte von der "Konsequenz" der Wolfsburger Stürmer Grafite (2 Tore) und Dzeko (3).
Der Brasilianer führt nun die Torschützenliste mit 26 Toren (darunter acht Strafstöße) an - vor Dzeko (25) und dem Stuttgarter Mario Gomez (23). Grafite hat nur 24 Spiele dafür gebraucht, dafür hat Dzeko alle Tore aus Feld erzielt.
Grafites Athletik und Zielstrebigkeit ist bemerkenswert, aber der mit 23 Jahren sieben Jahre jüngere Dzeko ist sicher der komplettere Stürmer. Der Bosnier hat sich während seines zweiten Jahres beim VfL zu einem Angreifer von internationalem Format entwickelt, was ist selbstredend längst auch in anderen europäischen Fußballmetropolen rumgesprochen hat. Zuletzt kursierten Gerüchte, er habe seinen Abgang bereits beschlossen.
Klar, er sei "enttäuscht" über den Weggang von Felix Magath", sagt Dzeko in Hannover auf entsprechende Fragen. Ansonsten habe er nun "diese Chance" und konzentriere sich daher "nur auf Wolfsburg und nicht auf einem möglichen Wechsel." Das gilt zumindest für die kommende Woche. "Jeder weiß um die Riesenchance", sagte Nationalspieler Marcel Schäfer. "Manche kriegen sie nicht wieder."
Da ist was dran und zwar unabhängig davon, ob das Team nun "auseinanderfällt", wie spekuliert wird und ob der neue Trainer nun überzeugend ist. Das soll nächste Woche klar sein, möglichst aber erst nach dem letzten Spiel verkündet werden, sagt VfL-Geschäftsführer Jürgen Marbach.
Armin Veh und Mirko Slomka sind super Trainer
Es sei denn, so schränkt er ein, "investigative Recherche" fördere früher das richtige Ergebnis zu Tage. Na, das ist doch mal eine Herausforderung. Ansonsten findet er Armin Veh und Mirko Slomka super, redet aber nicht über Namen.
Was Felix Magath angeht, den scheidenden Trainer, Manager und Schon-nicht-mehr-Geschäftsführer, so hat er in zwei Jahren tatsächlich einen Fast-Absteiger zu einem Champions League-Teilnehmer gemacht. Genauso, wie es der frühere VW-Manager Peter Hartz ("Und ich sage euch, wir werden Champions League spielen") beim ersten Spatenstich der VW-Arena prophezeit hatte.
Sicher wäre diese Entwicklung im Zeitraffer ohne die finanziellen Möglichkeiten von Klubbesitzer VW nicht möglich gewesen - aber ohne Magath wahrscheinlich auch nicht.
Magath scheint entschlossen, die Sache nicht nur zu einem großen, sondern auch einem unemotionalen Ende zu bringen. Ob es bei allen Erfolgen vielleicht sein größter Erfolg bis dato war, wurde er in Hannover gefragt, die seit Klubgründung titellose und graueste Maus der Bundesliga in die europäische Eliteliga zu hieven? Ach, antwortete Magath.
Dann sprach er davon, dass er "noch heute stolz" sei, im Jahre 2000 mit Eintracht Frankfurt trotz scheinbar aussichtsloser Lage nicht abgestiegen zu sein. "Das würde ich mir heute nicht mehr zutrauen." Damals hatte er weder Geld, noch Allmacht.
Magath bedanke sich bei dem Volkswagen-Vorstandsvorsitzenden "Professor Dr. Winterkorn", der die Voraussetzungen geschaffen habe, dass er, Magath, seine Vorstellungen in Wolfsburg umsetzen konnte. Was letztlich nichts anderes heißt, als dass Felix Magath liefert, wenn man ihm das Geld und die Macht zur Verfügung stellt.
Das ist gut zu wissen für den FC Schalke 04. Es könnte allerdings auch eine Warnung sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!