VERFASSUNGSÄNDERUNG IN MAZEDONIEN NOCH KEINESWEGS SICHER: Solana der Vorschnelle
Es ist ja nur zu verständlich, wenn Politiker Erfolge vorweisen wollen – wie zum Beispiel der Außenminister der EU, Javier Solana. Nach seinem Besuch in Mazedonien ließ er die Meldung streuen, im Friedensprozess sei ein Durchbruch erzielt worden. Dieser Optimismus scheint ein wenig früh; noch gibt es keinen Grund, sich selbst zu feiern. Noch ist längst nicht sicher, dass die mazedonische Verfassung so verändert wird, dass die Albaner Minderheitenrechte erhalten.
Zwar wird starker internationaler Druck auf die Konfliktparteien ausgeübt – doch auf wen? Bisher wurden nur die Führer der slawischen und albanischen Mazedonier gezwungen, mit dem Kopf zu nicken; die Zustimmung des Parlaments steht noch aus. Im Westen wäre dies in der Tat kein Problem; gehört es doch dort zur Berufsbeschreibung eines Abgeordneten, möglichst nie aus der Fraktionsdisziplin auszubrechen und den Ansagen der Parteiführung zu folgen. Doch in Mazedonien sind die Spielregeln andere, wie die westlichen Vermittler eigentlich bereits hinlänglich erfahren haben.
Daher müsste die Tatsache Solana zur Vorsicht bewegen, dass die unterschiedlichen Parteigremien bisher nicht zugestimmt haben – geschweige denn das Parlament. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit ist noch lange nicht gesichert. Zwar wurde den slawischen Mazedoniern zugestanden, dass es in der Verfassungspräambel nicht – wie im Friedensabkommen ausgehandelt – heißen soll, Mazedonien sei ein „Staat seiner Bürger“, sondern ein „Staat seiner Völker“. Und immerhin können die bisherigen „Minderheiten“ sich nun „Völker“ nennen – gerade für die Roma, die 4 Prozent ausmachen, ist dies ein unschätzbarer Gewinn.
Doch bei den Albanern kippt die Stimmung. Sie haben bisher alle Bedingungen erfüllt, ihre Waffen abgegeben und die UÇK aufgelöst. Doch das wird nicht honoriert. Alle internationalen Institutionen – inklusive Nato, EU, UN – haben versprochen, den Kompromiss von Ohrid durchzusetzen, doch mit dem Solana-Besuch ist er verwässert worden. Das lädt die slawischen Mazedonier geradezu ein, weitere Forderungen aufzustellen.
Der Friedensprozess ist sicherlich kompliziert. Die Einsicht der Parteispitzen ist größer als die ihrer Anhänger, bei denen weiterhin Kriegsbereitschaft herrscht. Doch wird sich dies nicht ändern, wenn die Bevölkerung den Eindruck gewinnt, dass Zusagen prinzipiell nicht gelten und die internationalen Institutionen keine stabilen Eckpfeiler sind. Zu diesem Eindruck hat Solana beigetragen, als er aus persönlicher Eitelkeit vorschnell einen Kompromiss verkündete, der erstens von internationalen Verträgen abweicht und zweitens keine gesicherte Mehrheit hat. ERICH RATHFELDER
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