Urteil zu tödlichem Beziehungsstreit: Nach Überdosis muss geholfen werden
Da ihr Freund sich von ihr trennen wollte, trank eine Studentin "Liquid Ecstasy" und starb. Nun muss der Freund in den Knast, weil er ihr nicht half.
KARLSRUHE dpa | Er sah zu, wie seine Freundin Lösungsmittel trank und daran starb. Der Bundesgerichtshof, BGH, entschied nun: Ein 31-Jähriger aus der Nähe von Paderborn muss für sieben Jahre ins Gefängnis - denn er wäre verpflichtet gewesen, die 20-Jährige zu retten. Weil er es nicht tat, habe er sich wegen Totschlags durch Unterlassen strafbar gemacht, urteilten die Karlsruher Richter am Mittwoch und bestätigten damit die Entscheidung des Landgerichts Trier.
Nachdem ihr Freund sich im Sommer 2009 von ihr trennen wollte, hatte die Trierer Studentin einen Schluck eines Lösungsmittels getrunken, das unter dem Namen "Liquid Ecstasy" auch als Partydroge bekannt ist. Der Angeklagte habe gewusst, dass die Menge potenziell tödlich ist, so die Richter. Er habe den Tod seiner Freundin billigend in Kauf genommen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war die Studentin dem acht Jahre älteren Angeklagten "in Hörigkeit und Liebe" zugetan. Sie soll ihn als "Liebe ihres Lebens" bezeichnet haben.
Als er sich trennen wollte, soll sie damit gedroht haben, sich umzubringen - zweifelsfrei feststellen ließ sich das im Nachhinein freilich nicht mehr. Klar aber ist: Er hatte das Lösungsmittel Gamma-Butyrolacton dabei, das er in genau dosierten winzigen Mengen als Drogenersatz nahm. Die Flasche stand auf dem Tisch.
Sieben Milliliter können tödlich sein
Die Studentin trank einen Schluck - entsprechend der Menge in einem Schnapsglas. Schon sieben Milliliter des Lösungsmittels können tödlich sein. Der Angeklagte brachte die Frau noch dazu, sich zu erbrechen. Dann sah er zu, wie sie ohnmächtig wurde.
Der Verteidiger des 31-Jährigen hatte argumentiert, die Studentin habe sich "freiverantwortlich" selbst töten wollen. Deshalb sei der Angeklagte auch nicht zur Hilfe verpflichtet gewesen. Dem folgte der Bundesgerichtshof jedoch nicht. Schon die Annahme, dass sich die Studentin wirklich töten wollte, sei fernliegend, argumentierten die Richter am Mittwoch. Schließlich seien die beiden im selben Zimmer gewesen. "Muss man nicht damit rechnen, dass der andere eingreift?", fragte eine Richterin in der mündlichen Verhandlung.
Außerdem habe sich die Studentin ja zunächst freiwillig erbrochen - was nach Auffassung der Richter dagegen sprach, dass sie wirklich sterben wollte. Deshalb sei der Angeklagte auch zu einer Rettung verpflichtet gewesen. (Az. 2 StR 295/11)
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