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Urteil Berliner U-Bahn-SchlägerZwei Jahre und zehn Monate Haft

Der Angriff am Bahnhof Friedrichstraße war brutal. Torben P., der Berliner U-Bahn-Schläger, muss nun wegen versuchten Totschlags für fast drei Jahre ins Gefängnis.

Der stark betrunkene Gymnasiast sei in "Provozierlaune" gewesen, heißt es in der Urteilsbegründnung. Bild: dapd

BERLIN taz/dpa | Wer einem Menschen, der auf einem Betonboden liegt, wuchtige Fußtritte gegen den Kopf verpasst, weiß um die Gefährlichkeit seines Tuns. Das ist die Botschaft, die eine Jugendstrafkammer des Berliner Landgerichts am Montag aussendet, als es den 18-jährigen Schüler Torben P. wegen versuchten Totschlags verurteilte. Mit einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten blieb das Gericht allerdings unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die 4 Jahre Haft gefordert hatte.

Der Schüler gestand den Gewaltangriff. Er sagte aber im Prozess, an die Tritte könne er sich nicht erinnern. Er sei in der Nacht nach einer Party so betrunken wie nie gewesen. Eine Erklärung für die Tat habe er nicht, sie sei aber durch nichts zu entschuldigen, hieß es in seinem Geständnis.

Die Staatsanwaltschaft unterstellte dem Gymnasiasten, das Entsetzen über seine Tat geheuchelt zu haben. Das Gericht sieht das anders: "Wir glauben Herrn P., dass er schockiert und bestürzt über sich selbst ist", sagte der Vorsitzende Richter Uwe Nötzel.

Die Tat ereignete sich Ostersamstag gegen 3 Uhr morgens auf dem Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße. Drei Überwachungskameras haben das Geschehen festgehalten. Die Bilder zeigen, wie Torben P. und ein gleichaltriger Mitangeklagter erheblich alkoholisiert und in Provozierlaune auf das spätere Opfer, einen 29-jährigen Handwerker, treffen. Die Beteiligten kennen sich nicht. Es gibt einen Wortwechsel, später eine Schubserei.

Richter Nötzel interpretiert die Bilder in der Urteilsbegründung so, dass sich der Handwerker wehrt, aber seinerseits nicht aktiv handgreiflich wird. Plötzlich verpasst ihm Torben P. mit einer nahezu vollen Hartplastikflasche einen Schlag gegen den Kopf. Der Angegriffene prallt mit dem Kopf auf den Boden. Einmal, zweimal, dreimal springt ihm Torben P. gegen den Kopf, "schwungvoll und kraftvoll", so Nötzel. Als P. zum vierten Mal ausholt,wirft sich ein Augenzeuge dazwischen. Auch dieser Mann wird zu Boden gebracht. Ob es an dem Zeugen lag, oder daran, dass Torben P. Turnschuhe mit weichen Sohlen trug - "ein glücklicher Zufall hat das böse Ende verhindert", so der Richter. Der Handwerker hatte vergleichsweise geringe Verletzungen.

Als strafmildernd wertete das Gericht, dass Torben P. nie zuvor straffällig geworden ist. Auch die "reißerische und objektiv falsche Berichterstattung" von Teilen der Medien wirkte sich strafmildernd aus. Nötzel sprach von einer Prangerwirkung. "Einen 18-Jährigen trifft das ungleich härter."

Neue Fall von Schlägerei in Berlin

Neues Entsetzen löste am Wochenende der Tod eines 23-Jährigen in Berlin aus. Er war auf der Flucht vor Angreifern vor ein Auto gerannt und starb. Nach dem neuen Gewaltvorfall sitzen nun zwei Verdächtige in Untersuchungshaft. Sie hatten sich bei der Polizei gestellt. Sie sind den Ermittlern bereits wegen Raubdelikten und Körperverletzung bekannt.

Nach einem dritten Angreifer wird noch gefahndet. Sie sollen den 23-Jährigen und seinen Begleiter im U-Bahnhof Kaiserdamm attackiert haben. Der 23-Jährige flüchtete auf die Straße, wo er von einem Auto erfasst wurde. Er starb noch am Unfallort. Der andere konnte sich in Sicherheit bringen.

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14 Kommentare

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  • W
    Wertkonservativliberaler

    Torben P. trat - ausweislich des U-Bahn-Überwachungsvideos - dem Opfer viermal (nicht dreimal, wie im Artikel steht)gegen den Kopf; erst bei dem Versuch, zum fünften Mal auf den Kopf des Opfers einzutreten, wurde er vom Zeugen gestoppt.

  • O
    Oliver

    Ja, klar:

     

    Wer am Straßenverkehr teilnimmt und überfahren wird, kann laut deutscher Rechtsprechung eine Mitschuld haben.

     

    Wer als Cybermobbing-Opfer Monate lang gequält wird, weil er sich sachlich in einem Forum äußern wollte, kann in Deutschland ebenfalls mitschuldig sein.

     

    Nur die Fast-Totschläger, über die angeblich "nicht objektiv" berichtet wird, die verdienen eine Bemessung des Urteils zu ihren Gunsten.

     

    Zumindest in Bayern weiß man, welches Strafmaß bei U-Bahn Schlägern angemessen ist (12 + 9 Jahre).

     

    Torben P. ist übrigens sozial nicht besser eingegliedert, weil sein Stammbaum "deutsch" ist. Hier wurde mit zweierlei Maß gemessen.

     

    Es wird Zeit, dass die Berliner Justiz sich auf "Hauptstadtniveau" begibt...

  • DR
    Dr. R. Wolf

    Eigentlich ist es traurig, dass solche Dinge überhaupt passieren. Was ist es für ein Land, das seine Bürger nicht beschützt? Diese Phrasen von wegen "Jugend, Zukunft nicht verbauen und Täter stand unter Alkohol" sind wohl eher eine banale Entschuldigung für das Versagen des Elternhauses, der Schule und der Justiz.

    Party feiern ist wohl eine Seite der Politik, es wäre besser, dass Geld für Bahnhofsaufsichten und Polizei zu verwenden. Ich habe Angst, nachts die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen - unsere Stadt ist "sexy" wenn man in einer gepanzerten Limosine sitzt.

  • D
    DerDemokrator

    Nur noch mal damit jeder weiß wovon er redet:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=ubgKgw3-7kU

     

    (Mir ist der Schläger nicht eben sympatisch, schon deshalb nicht weil sein Vater Jurist ist, aber andererseits hasse ich es das unser Staat immer mehr zur Lügenrepublik verkommt.)

  • WB
    Wolfgang Banse

    Verhangene Strafe ist zu niedrig angesetzt

    Das ergangene Strafmaß welches das Gericht verhängte,was den Überfall auf einen U Bahnhof betrifft,ist zu niedrig angesetzt.Die Staatsanwaltschaft und die Vertreter des Geschädigten sollten in die Revision gehen und das Straßmaß beanstanden,auch dahin was die Unversehrheit eines Menschen anbelangt.

  • W
    Wertkonservativliberaler

    Nachtrag zu meiner vorigen Mail:

     

    Also, im Tagesspiegel heißt es, Torben P. habe viermal zugetreten, erst beim fünften Mal sei er gestoppt. worden. Dies las ich auch in anderen Medien, vgl. z.B.:

     

    http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/u-bahnschlaeger-torben-p-muss-in-haft/4623314.html

     

    Bei Spiegel Online und auch hier in dem taz-Artikel ist die Rede von drei Tritten gegen dem Kopf und einen versuchten vierten Tritt:

     

    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,787174,00.html

     

    Auf dem Überwachungsvideo zähle ich vier Kopftritte und den versuchten fünften Tritt, vgl. z.B. das Video unter:

     

    http://www.bild.de/news/inland/koerperverletzung/berliner-u-bahn-schlaeger-anklage-versuchter-totschlag-17739544.bild.html

     

    Also, von wie vielen Tritten hat denn der Vorsitzende Richter heute bei seiner Urteilsverkündung gesprochen, das müsste man doch sauber mitschreiben können....(oder verlässt man sich auf Agentur-Meldungen?).

     

    Ich finde, das ist bei dieser Tat keine Petitesse.

  • W
    Wertkonservativliberaler

    Nein, Frau Plarre, Sie schreiben:

     

    "Einmal, zweimal, dreimal springt ihm Torben P. gegen den Kopf, "schwungvoll und kraftvoll", so Nötzel. Als P. zum vierten Mal ausholt,wirft sich ein Augenzeuge dazwischen."

     

    Nach allem, was ich in verschiedenen Medien bisher über den Fall las - bitte korrigieren Sie mich, wenn ich irre -, hat Torben P. viermal (vollendet) auf den Kopf getreten, erst beim fünften Mal (Versuch) wurde er von dem beherzten Zeugen gestoppt. Und das ist, wie ich finde, durchaus relevant; für das Opfer und seine Überlebenschancen allemal.

     

    Nachdem ich bei einem früheren Artikel von Ihnen auf diesen Versuch beim fünften Mal hinwies, den Sie nicht erwähnten, stellen Sie nun erneut etwas unvollkommen dar. Was soll das? Sind Sie Partei?

  • P
    piccolomini

    @ anonymus:

    in bayern kann man eben mit solchen menschen richtig umgehen, in berlin eben nicht.

  • R
    Rene

    Definitiv ist eine harte Bestrafung für so eine feige und brutale Tat nötig. Aber in einer deutschen Jugendhaftanstalt und dann noch auf Steuerzahlerkosten. Wo ist denn da die Strafe? Er sollte 2 Jahre und 10 Monate die U-Bahnhöfe säubern, ebenso dort wohnen und vielleicht fällt im Müll auch mal etwas zu essen für ihn ab.

  • FR
    Frank Rademacher

    Der Türke Serkan 12 Jahre Haft, Lukas der Grieche 9 Jahre Haft

    ####

     

    So wurden unsere beiden Münchner U-Schläger verurteilt.

     

    Ich hatte damals, das Verfahren in den mündlichen Verhandlungen beobachtet. Lt. Gutachten verfügte Serkan über einen IQ von 60. Zudem wiesen beide Täter zur Tatzeit ein (BAK) zw. 2,6 ‰ – 3,3 ‰ auf und waren unter starkem Drogeneinfluss.

     

    Hinzu kam, das der pensionierte Lehrer (Opfer) kurz nach der Attacke, leicht verletzt aufstand und zu Fuß in das nah gelegene Krankenhaus am Arabellapark mit den Polizeibeamten ging.

     

    Nochmals, Serkan 12 Jahre und Lukas 9 Jahre Haft.

     

    Wieso verurteilt man Torben P. nur zu 2 Jahren und 10 Monaten Haft?

     

    Natürlich werden jetzt die Juristen sagen, man könne die Fälle nicht vergleichen bla bla bla aa usw.

     

    In Amerika haben forensische Untersuchungen ergeben, das Farbige im Schnitt um mindestens 1/3 härter bestraft werden. Bei uns in Deutschland scheint das 5 – fache zu gelten.

  • Z
    zombie1969

    Er muss also für mehr als 2 Jahre hinter Gitter. Muss er aber auch für allfällige lanfristige Schäden, die dem Opfer entstehen könnten durch die Tritte an den Kopf, aufkommen? Oder überträgt man diese Kosten wieder der Allgemeinheit? Sind offenbar noch einige wichtige Fragen offen. Immerhin hat der mutige Bayer keine Strafe erhalten für sein Eingreifen, wäre nicht das erste mal. Auch in der CH nicht.

  • A
    anonymous

    Merkwürdig: 3 jahre, die er niemals im Gefängis sitzen wird (Haftverschonung).

    Und in einem ähnlichem Fall (Serkan A. und Spyridon L. 2008) 8,5 Jahre.

  • E
    e...

    Auf dem Bild ist das Opfer und nicht einer der Täter zusehen.

  • B
    Bernd

    Ich finde die Strafe etwas zu hart, weil ich genug Täter kenne die dies regelmäßig machen und Bürger dabei berauben und bei uns haben zb. 5 Raubüberfälle 5mal schwere Körperverletzung in Nacht auf Bewährung weit unter 2Jahre bekommen zusätzlich waren alle Täter schon Aktenkundig.

     

    Ich finde einfach es eine falsche Moral wenn 90% Täter hundert mal schlimmer vorgehen und bei ihn jetzt wegen des Medien ein Zeichen setzen will.

     

    Es wäre gut wenn Typ 1Jahr Haft bekommt so das echt dazu lernt aber 2Jahre 10Monate wie gesagt wenn alle so bestraft werden ist auch ok aber nicht so.

     

    Also Härte zeigen ja aber wenn gleich.. das verstehe ich unter Gerechtigkeit