: Urlauber sind doch rentabler als Kühe
In Mecklenburg-Vorpommern, an der Ostsee, soll der Tourismus angekurbelt werden/ Golfplätze bleiben Wunschtraum Jetzt braucht es private Initiativen, um die Dinge wieder in Schwung zu bringen, so der Chef des Tourismusamtes ■ Von Lutz Jordan
Schwerin. „Lieber zwei Urlauber im Bett als eine Kuh im Stall.“ Diese Worte des Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Alfred Gomolka, schreibt sich die neue Tourismusoffensive im Norden Deutschlands offensichtlich auf die Fahnen. Das ärmste Bundesland will durch Verbesserungen in der Infrastruktur Urlauber anlocken, um das leere Landessäckel zu füllen.
„Bei den herausragenden landschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten unseres Landes muß der Fremdenverkehr künftig einfach eine beachtliche wirtschaftliche Größe darstellen“, sagt und wünscht sich Michael Schmidt, Chef des Schweriner Tourismusamtes. Das Hotel- und Gaststättengewerbe hat Perspektiven genauso wie die Freizeitbranche und alle Formen von Dienstleistungen. „Neue Angebote müssen her“, fordert daher Schmidt.
Doch noch ist das graue Theorie: In Schwerin existieren gerade einmal 1.500 Hotelbetten, eine Kapazität, die den Bedarf nicht einmal annähernd decken kann. Da bringt es auch nicht viel, daß immer mehr Pensionen öffnen und Privatleute Zimmer vermieten.
Vollends miserabel ist die Situation geworden, seitdem Geschäftsleute aus Westdeutschland in Schweriner Hotels Büros und Geschäftsstellen einrichten. Statt Touristen schlafen in den freien Betten der Hotels Dienstreisende aus dem Westen, die versuchen, die wirtschaftliche und politische Infrastruktur auf Trab zu bringen. Schon jetzt müssen viele Quartiersuchende abgewiesen werden. Da ändert es auch nichts dran, daß die Besucher aus den ehemaligen Ostblockländern ausbleiben, da sie sich einen Urlaub in den neuen Bundesländern nicht mehr leisten können. Auch die Westgäste zieht es, nachdem sie schlechte Erfahrungen gemacht hatten, nicht mehr unbedingt in den Norden: Viele vermißten bei ihrem letzten Sommeraufenthalt an der Ostseeküste den im Westen gewohnten Luxus und mokierten sich zudem über die saftigen Preise. Schmidt gibt unverblümt zu: „Das sind Fehlentwicklungen, die wir schnellstens in Ordnung bringen müssen.“ Dennoch: Größere Vorhaben sind aufgrund von Geldmangel und unzureichender Perspektivplanung auch mittelfristig nicht zu verwirklichen. Hotelneubauten, Sportboothäfen oder Golfplätze bleiben Wunschträume. Da kommt Freude schon bei Kleinigkeiten auf. So schrieb die Ostberliner Treuhandanstalt erst in diesen Tagen früher staatlich betriebene Badeanstalten, Bootsausleihen und touristische Objekte des früheren DDR-Gewerkschaftsbundes FDGB zum Kauf aus. Bereits in kommunale Hände übergegangen sind die in alten SED-Zeiten so intensiv genutzten Campingplätze. Schmidt sagt: „Jetzt braucht es private Initiativen und Investitionen, um die Dinge wieder in Schwung zu bekommen.“ Dem Einfallsreichtum und den Aktivitäten sind jedenfalls keine Grenzen gesetzt. Devise lautet: Erlaubt ist, was nicht verboten ist. Vor allem die Natur- und Umweltschutzgesetze müßten rigoros eingehalten werden. Auch was die Werbung anbelangt, kündigt Schmidt eine Großoffensive Mecklenburg-Vorpommerns an. Bei der nächsten Hamburger Tourismusmesse will sich das Land mit Unterstützung des Schweriner Wirtschaftsministeriums trotz vieler Provisorien als attraktives Urlaubsland zwischen Elbe und Oder vorstellen. ap
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