■ Urdüs wahre Kolumne: Arisch-blondes Menschenrecht
Alle Bremer Werderfans, die sich durch die Negativserie der letzten Wochen in ihrem Lebens- und Selbstwertgefühl beeinträchtigt sehen, erinnere ich an dieser Stelle daran, dass Fussball nicht alles ist: Immerhin haben sich die heimischen „Las Cucarachas“ bei den Deutschen Frisbee-Meisterschaften im Uni-Sportzentrum am vergangenen Woche nicht nur als Ausrichter bewährt, sondern zugleich wichtige Punkte für den Aufstieg in die Erste Bundesliga dieser charmanten Disziplin gewonnen! Soll man sich die lokalpatriotische Selbstbestätigung nicht dort holen, wo sie gerade zu kriegen ist?
Dies gilt natürlich auch für den österlichen Ausflugstipp, den silbrig glänzenden Walfischbau des „Universum“ zu besuchen, das ja sein Publikum ganz ohne spaceparkähnliche Skandale gefunden hat und für vergleichsweise kleines Geld durchaus erfreuen kann. Wenn die PR-Strategen Bremens diesen wunderschönen Profanbau jetzt aber in bundesweiten Presseaussendungen als „Größtes Osterei der Welt“ für das durch und durch triefäugig-provinzielle Guiness-Buch der Rekorde ins Gerede bringen wollen, dann ist das nicht nur Portoverschwendung, sondern atmet den schlichten Geist der trübsinnigen Autobahnabfahrten von Lehrte, Seesen oder Bremerhaven-Süd.
Auch in der Karwoche kann ein Besuch beim Fleischer erforderlich werden, und dort wird das neben mir wartende süße Lockentöchterlein einer Kundin gefragt, ob sie denn ein Stück Wurst wünsche. Die Kleine hat aber längst erwartungsvoll ihre Hände hochgereckt, verzichtet deshalb auf eine verbalisierte Antwort und muß nunmehr erleben, wie die Verkäuferin murmelt. „Na dann eben nicht“. Dieses Missverständnis veranlasst die Lütte nunmehr unüberhörbar kräftig „Wurst,Wurst,Wurst“ zu schreien, bis ihr die aufgerollte Scheibe Mortadella in die Patschhände gedrückt wird. Wir lernen daraus auch für die aktuellen Tarifrunden, dass Mensch sein Recht effektiv einfordern muß. „Den Lauten machen“ ist das Gebot der Stunde!
Die junge Nazisse namens Janine, die jetzt von einem sozialpädagogisch verdrucksten Bremer Jugendrichter mit dem an sich doch sehr schönem Namen Zorn durch ein skandalös mildes Urteil in ihrem arisch-blonden Menschenrecht auf tätliche Angriffe gegen Moscheen und türkische Gemüsehändler bestätigt wurde, soll also ihre paar Arbeitsstunden zur Buße ausgerechnet im antifaschistischen Lidice-Haus ableisten. Was wird die verstockte Dumpfbacke dort wohl tun? Feuerlöscher unbrauchbar machen, Klosetts verstopfen oder Nachschlüssel für nächtliche Besuche mit den Kameraden anfertigen? Vermutlich wird man in Konsequenz eines solchen Urteils die ausländerfeindlichen Mordbrenner von Rostock demnächst damit betrauen, in ihrer national befreiten Zone einen multikulturellen Kindergarten zu betreiben.
Diese Jungen Liberalen! Fordern die Aufhebung der Ladenschlussgesetze, damit sie ihre Dose Holstenpils nicht mehr nach Feierabend von Papas Taschengeld fürn Euro bei der Tanke kaufen müssen, wenns beim Chatten mit Guido Westerwelle über Clearasil und die Folgen mal wieder ein bißchen spät geworden ist. Sollen doch lieber arbeiten, diese geschniegelten Bürschlein, statt als sozialschmarotzerische BWL-Studenten Anträge auf ermäßigte Mitgliedschaft beim Golfclub zu stellen oder um Rabatt für die Gebühren beim Aktienkauf zu feilschen ... Und wenn die unterbezahlte Aushilfskraft im Bistro ihrer freidemokratischen Wahl mal einen Cocktail ohne gestoßenes Eis serviert und dabei nach sechs Stunden Maloche noch das professionelle Lächeln vergisst, fordernse die sofortige Entlassung wegen Unbotmäßigkeit. Vorurteile? Bei solchen immer herzlich gern!
Morgen Karfreitag und am Montag schon die Auferstehung von den Toten: Auch für die Tage dazwischen wünscht allen wa-ckeren Hasenkindern und Ostermarschierern die ganze Fülle des irdischen Glücks
Ulrich „Barrabas“ Reineking
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