■ Urdrüs wahre Kolumne: Unter uns Fettsäcken...
Solidarität von Fettsack zu Fettsack einfordern möchte ich von Oppositionsführer Kudella: Ist es denn nicht genug, daß die leptosomen Hungerkünstler über alle politischen, religiösen und fußballerischen Grenzen hinweg ihre ungehobelten Witzchen über Dicke machen? Müssen Sie sich da als authentischer Schwarzer Peter noch gemein machen mit jenen, die auf der Bank der Spötter sitzen? O-Ton Kudella in der Debatte zum Mißtrauensantrag gegen Frau Evi: „Das ist für uns dicker stinkender Genossenfilz“. Nehmen's doch bitte rhetorische Zuflucht zu Begrifflichkeiten wie schleimig, ekelerregend, hemmungslos, kriminell etc. – nie aber bitte mißbrauchen Sie künftig „dick“: Denn wer im Stich lässt seinesgleichen, lässt doch nur sich selbst in Stich!
Mit Stockfisch und zermatschtem Ohl, klebrigem Sauerbier und anderen kulinarischen Folterwerkzeugen werden heute die als Schaffer getarnten Raffer für alle Bosheiten ihrer überwiegend längeren Lebenszeit abgestraft, müssen dazu noch die buschigen Augenbrauen des Theo Waigel stundenlang betrachten und sich für das quälende Zeremoniell auch noch mit dicken Schecks bedanken: Die Rathaushalle wird zum Domina-Studio der Sonderklasse. Und sowas nennt sich dann ältestes Brudermahl der Welt – wer mag da noch wünschen, daß alle Menschen Brüder werden? Dem empörten Schrillkonzert der Verdammten dieser Erde gegen die elitäre Abfütterung sei dennoch ein lebhaftes Echo beschieden!
Paar Stunden später lassen dann die California Dreamgirls in der Edeldisco Happy End letzte Hemden und Hemmungen fallen und das handelsübliche Trottelgesicht männlichen Geschlechts muß dafür an der Abendkasse 30 Mark hinlegen, wofür man im Utbremer Stübchen an der Landwehrstraße glatt 7 große Bierchen samt Bockwurst bekommt. Genuß ohne Reue!
Über alles machen sich die kritischen Beobachter Gedanken angesichts des Prozesses gegen den Schwarzgeld-Kliniker Aribert Galla: Wie konnte es dazu kommen, wo steckt das Geld und welche Kontrollmechanismen haben versagt. Niemand aber wirft die einzig interessante Frage auf: Wie kommt es, daß verschworene Arbeitersamariter, Gewerkschaftsfuntionäre und sonstige Sozialdemokröten (fast) immer über die gleiche wenn nicht gar selbe Haar- und Barttracht verfügen? Gibt es da eine geheime Bruderschaft zwischen Konsum-Senioren und Neue Heimat-Altenteilern, die allesamt zum Besuch des nämlichen Barbiers verpflichtet? Aufklärende Hinweise herzlich erbeten – und auch Aribert sollte man eine Antwort vor Gericht nicht ersparen.
So lesen wir's im Waschsalon am Anschlagbrett „der Kunde hat das Wort“: Versierter Redner stellt sich für Ansprachen am offenen Grab oder in der Trauerhalle zur Verfügung. Übernehme auch Kleintransporte, Kurierdienste, Hochzeitszeitungen und fahre Sie in den Urlaub. Zaubere auf Parties und Kindergeburtstagen. (Ohne Anfahrtkosten zwischen Grambke und Walle.) Bereitet der Gröpelinger Junge Peter Sakuth so die Rückkehr in die Politik vor? Hut ab!
In einem Speiselokal unweit des Sitzes der senatorischen Kulturabteilung in der Pieperstraße stochert eine Dame in den Kartoffeln der Sättigungsbeilage und moniert schließlich gegenüber dem Gast am Nebentisch, daß diese viel zu zerkocht seien. Der Angesprochene gibt zu Bedenken, daß es sich vermutlich um eine Kartoffel der Sorte Sieglinde handele, im übrigen aber verstehe man sich in Bremen ohnehin nicht auf das Kartoffelkochen wie in seiner thüringischen Heimat. Darauf die Beschwerdeführerin in scharfem Ton: „Typisch für die von drüben. Da den Kitt vonner Wand gekratzt und hier in Bremen immer meckern.“ Tja, so ganz sturmfest ist das Zusammengewächshaus auch im 5. Jahr des Anschlusses noch nicht gezimmert...
Ulrich Reineking-Drügemöller
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