piwik no script img

■ Urdrüs wahre KolumneNeo-Tarzanismus unter uns

Der Landesverband der Gartenfreunde warnt in seinem Mitgliederblatt „Min Land“ vor der „Wohnszene“ am Weidedamm III, da dort „Interessenten, die von außerhalb, ja sogar aus dem Ausland gekommen sind, das Bild bestimmen.“ Wir aber warnen vor Parzellisten mit kahlrasiertem Nacken und kleinkarierten Shorts, die nach dieser ästhetischen Vorlage auch ihre Rasenwüsten gestalten und dem friedlichen Naturfreund das Leben auf der Scholle mit ihren brechreizerregenden Ritualen zum Vorhof der Hölle machen. Näheres auf Wunsch in einem abendfüllenden Gespräch bei Waldmeisterbowle mit dem Verfasser dieser Zeilen! Die Bremer Commune aber, sie lebe hoch am Vorvorabend des Kampfmai 94!!!

Verkauft doch da auf dem Flohmarkt ein vielleicht 13-jähriger Rotzlöffel in Nato-Oliv mit selbstgefertigtem Button „Bundeswehr-Fanclub Huchting“ Kopien des Original-Bundeswehr-Computerspiels Helicopter Mission, in dem die Bundeswehr bei lauter guten Taten wie Schützen/Retten/Helfen vorgeführt wird. Und wer genügend Punkte sammelt, hat die Chance, „zusätzlich an der Verlosung eines Truppenbesuchs exclusiv bei den Heeresfliegern teilzunehmen“. Wenn da man nur nicht das System abstürzt... Wer aber selbst mal Schwein mit Flügeln am PC sein möchte: Kostenfrei wird das Spiel beim Streitkräfteamt (Info-Service) abgegeben, das seinen festen Wohnsitz im Postfach 14O189 in 531O7 Bonn unterhält.

Nun darf der wilde Mann John Bellicchi heute doch nicht in den Weserterrassen für jene Milchbubis predigen, die sogar das Wichsen noch in eigenen Workshops lernen müssen. Hieße aber eigentlich sowieso, Eulen nach Athen zu tragen, denn der Neo-Tarzanismus hat in hiesigen Alternativkreisen schon recht stürmische Apologeten. Fragen doch unlängst nach Mitternacht in einer Waller Szene-Kneipe der alternative Filmemacher, der alternative Multikulti-Fußballspieler, der alternative Sozialpädagoge und der alternative Student die Frau hinterm Tresen, ob sie nicht für 5O Mark Prämie von jeder Pappnase die sekundären Geschlechtsmerkmale freilegen würde. Und am Tage darauf artikuliert einer der Herren seine Bestürzung „über den ganzen Wind, der darum gemacht wird“ mit den goldigen Worten: „Wir ham eben mal gefragt und dann kannse doch ja oder nein sagen und gut is!“ Denn fragen, das weiß der wilde Mann, fragen kostet nix.

Deutsche Wirklichkeit im April 94. Eine Lehrerin aus Bremerhaven ruft ihren Geschiedenen in Bremen an mit der Bitte, für Sie bei der PDS-Zentrale in Berlin Material anzufordern und ihr dies dann im neutralen Umschlag zukommen zu lassen. „Du weißt doch, ich bin Beamtin und da will ich keine Schwierigkeiten kriegen.“ Der gemeine Dieb in Uniform aber, er lacht sich kaputt und fährt mit den Sparstrümpfen Kleingewerbetreibender aus Rußland nach Mallorca zur Wahl der „Miss Wetshirt Arenal“. Ach Herrgott, wach auf und lass den Blitz dreinschlagen!

Eine Blitzumfrage unter ca. 2O Mitmenschen des arbeitnehmenden Umfelds ergab, daß niemand die zentrale Mailosung des DGB für dieses Jahr zu nennen weiß, sieht man mal von Antworten ab wie „Arbeit macht frei“, „Der Mai ist gekommen“ oder auch „Kampf der Schweinepest“. Ganz schön auf den Hund gekommen...

In BILD BREMEN lässt sich dieser Tage der Parlamentarische Staatssekretär Bernd E. Neumann mit den Worten zitieren „Ich habe in Bonn den Überblick“, während Uwe „Uwe“ Beckmeyer den verständigen Teil des Publikums mit dem Satz entsetzt „Ich bin das Land Bremen in Bonn“. Wir hatten schon sowas geahnt!

Ulrich Reineking-Drügemöller

Evtl. aus Stehsatznoch die BMW-Fahrer-Geschichte...

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen