■ Urdrüs wahre Kolumne: Honni inne Urne gepißt
Daß Strampelpeter Kudella in den Hütten der Weidedamm-Commune Autonome aus Göttingen und Hamburg beim Barrikadenbau ausgemacht hat, mag daran liegen, daß der Große Vorsitzende im Wirrgarten seiner Gedanken das Hügelbeet und die Bohnenstange nicht mehr vom Bollwerk der Revolte unterscheiden kann. Anders liegt der Fall allerdings beim Herrn Umweltsenator, der ja immer so daherkommt wie das Top-Mannequin eines Heimwerkermarktes. Wenn der grüne Ralfi jetzt das Volk davon in Kenntnis setzt, daß auf dem Areal künftig „Techniken des ökologischen Planens und Bauens verwirklicht werden“, so klingt das schon nach dem Sachverstand des standhaften Maurer-Poliers. „Lügen haben hohe Stirn“ sagt dazu allerdings der Volksmund, der dem Bündnis „Green please“ allerdings gar nicht erst beigetreten ist. Ansonsten sei daran erinnert, daß heute vor 17 Jahren und einem Tag, am 2. Juni 1967, für meine Generation klargestellt wurde, daß Papa Staat nicht nur für BAFÖG-Zahlung und Straßenverkehrsplanung zuständig ist. Alles Weitere erfrage die wissensdurstige Jugend bitte beim jeweiligen Hip-Hop-Opa ihres Vertrauens...
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Dem gewesenen Staatsvorsitzenden der Ehemaligen pißte die BILD-Zeitung noch einmal in allerbester Frontmanier in die Urne. Per TED forderte das Blatt seine LeserInnenschaft zur Entscheidung auf, ob Honeckers Asche in Deutschland beigesetzt werden dürfe. Mehr als 50.000 beteiligten sich an diesem Urnengang per Telefon und entschieden mit über 90 Prozent dagegen. Dies bitte zur Erinnerung, wenn wieder mal nach irgendeinem Amoklauf von unschuldigen Opfern die Rede ist. Und bitte nunmehr zum TED-Entscheid darüber, ob die verantwortlichen Redakteure dieser Aktion noch mit einem schlichten Sockenschuß davonkommen dürfen...
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Eine aus der Generation jener, die Wilhelm Kaisen noch als Kind auf dem Misthaufen gesehen hat, steht unschlüssig vor einem Wahlplakat der Partei Bibeltreuer Christen und liest halblaut deren Aussage zur Europa-Politik: „PBC - Gottes Wort in Familie, Schule und Medien: Wir brauchen feste Maßstäbe.“ Den Beobachter bemerkend, klagt sie: „Tjaja, versprechen können Politiker alles mögliche, aber ob sie sich dann nach der Wahl dran halten, das ist die Frage.“ Fast dankbar nimmt sie meine Einschätzung hin, daß der Partei Bibeltreuer Christen das Festhalten an der Wahlkampfaussage wohl unbedingt zugetraut werden darf, „Das wäre ja mal schön!“ Eben.
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Zum Formulierungs-Repertoire auf der inneren Festplatte der Schriftwarte und Presse-Obmänner von Sport- und Gesangsvereinen gleichermaßen gehört bei Einladungen zu Stiftungsfesten, Sommerbällen und anderen Vereinsmeiereien die Schlußsentenz: „Gute Laune ist mitzubringen, für Speis und Trank ist gesorgt.“ Nachvollziehbar allerdings, wenn man bedenkt, daß viele ältere Mitglieder noch die Feste der schweren Nachkriegszeit mit Rübenschnitzel und Zichorienkaffee in Erinnerung haben. Warum aber nun die verehrlichen Öffentlichkeitsfrauen der kleinen Kulturläden und Kreativ-Etagen anner Ecke nie und nimmer auf den Hinweis verzichten können, daß bei den diversen Heile-Heile-Gänschen-Kursen mit und ohne Transzendenz „bequeme Kleindung, Wolldecke und warme Socken“ mitzubringen sind, sollten die schon mal in der Supervision hinterfragen. Und bei der Gelegenheit vielleicht auch noch den Backe-Backe-Kuchen-Satz aus dem Speicher entfernen, der da lautet: „Frau kann sich hier etwas Gutes tun.“ Eiapopeia noch eins!
Ulrich Reineking-Drügemöller
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