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■ Urdrüs wahre KolumneKollektive Mütter und Delmenhorster Stars

Natürlich ist Peter „Kussmund“ Kudella ein aufrechter Mann mit grünem Daumen, wie schon sein gern gehörtes Plädoyer für die wohlschmeckende kanarische Banane vor Jahr und Tag verdeutlichte. Man sieht ihn im schwarzen Anzug ebenso gern wie im grob gewirkten Pullover und ehe man mit irgendeinem bepelzten Konzertveranstalter Kaviar in Begleitung von Teppichludern essen würde, löffelte man lieber mit ihm einen herzhaften Linseneintopf auf der Sonnenveranda im Maiglöckchenweg. Irgendwie ist er aber auch nicht so recht von dieser Welt. Denn wer wie Kudella ernsthaft annimmt, dass Günni und Lisa und Hacken-Jupp und die kölsche Annemarie vom Fleet mit ihren paarhundertfuffzig Euro Rente oder Sozi plötzlich irgendwoher Bausparverträge unter der Kittelschürze hervorzerren, um damit staatlich subventioniert irgendwelche Wüstentot-Kackhäuschen auf irgendwelchen Handtuch-Grundstücken zu errichten oder sich gar vom Interhomes-Konsul Grabbe eine Butze für Erdbebenopfer auf gezupfte Rasenflächen setzen zu lassen, der hat nichts von der Lust am Leben verstanden, verwechselt Menschen mit Reformknast-Figürchen aus dem Modellbaukasten der Planungsidioten und kann nicht mal die Frage beantworten, was die Leute dann mit Kaninchen, Katze, Hund und den über Jahre gesammelten 32 Waschmaschinentrommeln und vierzig Eisenbahnschwellen machen sollen. Ein grotesk langer Satz, dieser hier, ganz sicher. Man sollte ihn aber erst einmal auswendig lernen, danach ein Pur-Pfeifchen mit der guten Waller Feldmarksee-Auslese rauchen und dann aus dem Gedächtnis Buchstaben für Buchstaben dieses Satzes in ein Frühstücksbrettchen schnitzen, bevor man solche Vorschläge leichtfertig wiederholt.

Der taz-Beitrag über das Zentralkrankenhaus Links der Weser als Vier Sterne-Gesundheitszentrum lässt einen ja fast an der alten Koronargeplagten-Weisheit zweifeln, dass die beste Krankheit nix nützt. Sind es nicht gerade derart ausgemalte Idyllen, die den notorischen Leistungserschleicher motivieren könnten, sich hier eben mal auf Kosten der Solidargemeinschaft ein paar Bypässe legen und ein paar Bio-Herzklappen vom Stangenschwein einfädeln zu lassen? Jedenfalls hätte man gern noch etwas über die aktuellen Menüfolgen erfahren – und auch darüber, wie das Unterhaltungsprogramm aussieht.

Versäumt hat es dieses Blatt leider auch, der Öffentlichkeit preiszugeben, WARUM Carmen Nebel als die anerkannte Plaudertasche Ost der Deutschen Volksmusik tatsächlich den Job als diesjähriges Maskottchen bei der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger angenommen hat, die von Bremen aus ihre Armada auf Nord- und Ostsee dirigiert: „Ich bin als kleines Kind kopfüber in eine Regentonne gefallen und fast ertunken. Damals hat mich meine Mutti gerettet!“ heißt es dazu im O-Ton Carmen Nebel.

Und weil die Mutti bei großen Mädchen und Jungen nicht immer dabei sein kann, sollten wir alle die DGzRS als kollektive Mutter annehmen und an jedem Bierabend das Wechselgeld in das Schiffchen auf dem Tresen werfen, sofern nicht gerade ein Bettelmann durch die Kneipe zieht, der natürlich den erstrangigen Anspruch auf das Geklimper hat!

Wie weit ist es mit der Luderwirtschaft in diesem Lande nur gekommen, dass plötzlich Shooting-Stars aus Delmenhorst ins Rampenlicht kommen. Die ganze Republik gemeinsam bei „Wetten dass“ über ihre Slipeinlage und die womöglich nackte Muschi rätseln lassen, bis dass dann das getragene fleischfarbene Höschen und der übrige Travestiebühnen-Fummel von Sarah Connor auch noch zugunsten armer Kinder über die BILD versteigert wird? Was für Zeiten, was für Sitten: Von einem Kultursenator Klaus Peter Schulenberg und einem Bildungssenator Thomas Gottschalk trennen uns womöglich nicht mehr als die nach oben noch nicht völlig geöffneten Gehaltstabellen des Öffentlichen Dienstes!

Dass der Ex-Spartakist (MSB) und Staatsanwalt Uwe Picard nun auch in Sachen jenes Bremer Mitbürgers ermittelt, der als Taliban-Türke von Bush & Co in das Foltercamp auf Guan-tanamo deportiert werden soll, trägt nicht gerade dazu bei, sein laufendes Ausschlussverfahren aus der kommunistisch-antiimperialistischen Bewegung positiv zu beeinflussen: Es sei denn, er nutzt den Fall, um mit Castro gemeinsam die schändlichen Haftbedingungen der Untermieter aus den USA vor die Vereinten Nationen zu bringen.

An das Gute in jedem Menschen versucht jedenfalls immer wieder zu glauben

Ulrich „Hilflos“ Reineking

PS: Irgendwie habe ich das Gefühl, mit meinem heutigen GaDeWe-Programm „Entdecke das Schwein in dir“ dem Lauf der Zeit unaufholbar hinterher zu traben ... Müssen eben die bösen Kreisler-Mädchen im Beiprogramm die Sache retten!

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