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Urdrüs wahre KolumneMoralische Slumgebiete

ProFun steht vermutlich für „Professional Fun“ – das würde ich mit „gewerbsmäßiges Vergnügen“ übersetzen. Nun ist Prostitution ja prinzipiell legal und die Frage nach der Sittenwidrigkeit zu beantworten, überlassen wir lieber anderen. Müssen aber den öffentlich Bediensteten Bremens, die sich da in Sachen Space Park für „ProFun“ verdungen haben, solche Nebentätigkeiten nicht vorher genehmigt werden? Höchst zitierenswürdig übrigens eine Beobachtung, die Marktplatz-Plauderin Elke Gundel für den Weser Kurier notierte: Beim Tag der Einheit in Berlin wiesen etliche Besucher am Bremenstand den gleißnerischen Prospekt für das Space Park-Projekt mit der Notlüge zurück „ Danke, da waren wir schon!“ Wollnwa ooch nich wieda hin, wa?!

Als liebender Gatte und treusorgender Vater obliegt mir wieder mal die Pflicht zum frühmorgendlichen Brötchenholen, und auf dem abkürzenden Weg durch eine schnuckelige Fachwerkgasse meiner kleinen Stadt entdecke ich auf der Türschwelle eines hutzligen Häuschens eine halbvolle Tasse Kaffee mit der Aufschrift „Trink dich frisch!“ Dazu ein Plastikeierbecher mit Löffel, an dem noch Eigelb und restliche Schalen kleben. Ist das nun beredtes Zeugnis eines Ehestreits am Frühstückstisch mit nachfolgender Ausquartierung? Machohafte Demonstration eines Allwetter-Recken vor dem Frühsport? Mit den Antworten wird man bei der Sinnsuche vom Alltag allzuoft völlig alleingelassen …

Als Generalsekretär der Internationale der Eisenbahnfreunde spreche ich hiermit eine Fatwah gegen Bahnchef Hartmut Mehdorn aus! Niemand soll ihn und seine Schergen künftig beherbergen, ihnen den Weg weisen, sie tränken oder atzen. Regelmäßig die Preise erhöhen, die Standards senken und die Fahrpläne verschlechtern ist das eine: Dies dem Publikum aber noch als Preissenkung und die tausend Einschränkungen der mobilen Spontaneität als Fortschritt zu verkaufen, ist eine Verhöhnung der Unschuld, mit der sich die Verantwortlichen aus der Gemeinschaft der Schienenfahrer auf alle Zeiten ausgeschlossen haben. Und so werde ich auf der Mitgliederversammlung der Dampfeisenbahnfreunde Weserbergland (DEW) für das Gesindel ein lebenszeitiges Fahrverbot auf unserem gesamten Streckennetz zwischen Rinteln und Stadthagen beantragen. Die übrige Richtung des Kampfes gibt die Diseuse Ute Lemper vor, über die bahninterne Rebellen auf dem Oktober-Titel des Kundenmagazins „DB mobil“ behaupten: „Ein Weltstar probt die Anarchie“. Jetzt kommt die Premiere – aber bitte daran denken, dass die Bahnhofsquartiere häufig videoüberwachter sind als uns Freunden der Eisenbahn lieb sein kann!

Die Art und Weise, mit der CDU und SPD den Fast-Ruheständler Henry Wilhelms in Bremerhaven noch kurz vor Berechnung der Pensionshöhe zum Geschäftsführer der dortigen Versorgungsgesellschaft (!) gemacht hat, zeigt mit obszöner Deutlichkeit, dass die Probleme dieses moralischen Slumgebiets nur noch durch Hoch- und Springfluten von Vineta-Qualität gelöst werden können. Und wer herausfinden möchte, wer für die Diebstähle kompletter Schafherden von den Deichgebieten der Nordsee verantwortlich ist, er sollte mit der Suche in diesem Milieu beginnen! Irgendwann aber singt dann der Balladendichter im solarbetriebenen Kajütkreuzer „Heut bin ich über Lehe gefahren/Lehe ging unter vor hundert Jahren …“ Wäre fremdenverkehrswirtschaftlich natürlich eine Attraktion, mit dem riesigen Neuwagenriff an der ehemaligen Autoverladung, zwischen denen sich staunende Katzenhaie tummeln.

Mögen die Parzellen der Gartenheimer allzeit behütet sein und sich Legale wie Illegale gemeinsam an der herbstlichen Kürbissuppe laben, wünscht Dir und mir

Ulrich „Mühsam“ Reineking

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