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■ UrDrüs wahre KolumneWeltuntergang

Und rufe ich hiermit zur Gründung einer Elterninitiative gegen die gewissenlose Pokemon-Geschäftemacherei auf! Verbünden wir uns mit den Blechbüchsen-Helden der Augsburger Puppenkiste, mit Kalle Blomquist, Harry Potter, Max und Moritz und von mir aus selbst mit Fix & Foxi und vor allem der Roten Zora gegen diesen dreisten Angriff auf Familienbudget und Nerven. Jeder Spielzeugladen, an dem diese Sammelkarten gehandelt werden, sei uns offensives Ziel. Jedes Lichtspielhaus, das an der weiteren Verherrlichung dieser Schlitzaugen-Comics per Abnudeln des dazugehörigen Films teilnimmt, möge seine Sprinkleranlage vor berechtigter Empörung schützen! Und falls die Abteilung Falschmünzerei der Panzerknacker KG Falsifikate dieser Geldvernichtungs-Objekte wohlfeil auf den Markt bringt, empfehle ich das Unternehmen jetzt schon mal als heißen Kandidaten für den nächsten Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Attacke!

Bitter enttäuscht hat mich dieses dein und mein Leib- und Magenblatt am vergangenen Montag mit der Schlagzeile „Im Viertel herrscht Anarchie“. Spontan greife ich zu Schlafsack und Mundharmomika, Wasserpfeife und der ollen Lederjacke, um als langgedienter Vorkämpfer der Bewegung an der fälligen Siegesfeier teilzunehmen und erst im Weiterlesen erkenne ich, dass es hier wieder einmal nur um Verunglimpfung dieser edelsten Ausdrucksform der menschlichen Sehnsucht nach Liebe, Freiheit und Geschwisterlichkeitgeht. Tempo 30-Zone, Rollschrott-Chauffeure im Dauerstau, dazu das Barmen und Harmen des Porzellanhändlers um genügend Parkbuchten für die Kundschaft: Das also soll Anarchie sein, die vom großen Immanuel Kant gepriesene Ordnung ohne Herrschaft? In solche Bewertungen passt dann natürlich das Gejammer von Robert Bückling über das biedermännische Horrorszenario, falls die Straßenbahn mehr Platz zu Lasten der Automobile bekommt: „Dann geht hier die Welt unter!“. Sollse doch, wenn die in eurem Krämerseelenkaff schon so fürn Arsch ist ...

Ehrfurcht fast ohne Grenzen habe ich vor schlohweißen Scham- und Achselhaaren. Aber wenn die AfB den Vorschlag von SPD-Sprecher Kleen zur Auflösung des Bremer Landesamts für Verfassungsschmutz mit dem Hinweis zurückweist, dass er damit „zu den Positionen der Ultralinken zurückkehrt“, dann kann man nur noch von Gaga sprechen, die dramatischen Gefahren der Altersverwirrung bestätigt sehen und ansonsten glaubwürdig versichern: „Olle Hermann war doch nie dabei, wenn wir attengetatet haben ...“

Hoffnung immerhin darauf, dass auch künftige Generationen sich in traditionellen Disziplinen der Revolte wie Hausbesetzung und Farbbeutelweitwurf an weltanschaulich einwandfrei legitimierten Orten anti-imperialistischer Besinnung üben können, eben solche Hoffnung erschließt der Bau des BREMEN UNITED STATE CENTER: Die knappe Million, die der hanseatische Steuerbürger für diese Institution jährlich in den Schornstein ballert, dient Mark für Mark dem Kampf gegen das Vergessen der guten alten Mili-Tänze von uns weißen, schwarzen und roten Indianern – womöglich könnte man das Geld dafür unter Brauchtumspflege im Kulturetat ausweisen und damit etwas für die Optik tun ... Ob die gelernte Anti-Imperialistin Helga Trüpel bei ihrem wütenden Protest gegen das bisschen Klimpergeld an diese Zusammenhänge gedacht hat? Immerhin löst allein das Wort „Amerikahaus“ bei manchen Zeitgenossen immer noch schönste Jugenderinnerungen aus!

Ein seltsames Rabattangebot macht der Inhaber eines Gröpelinger Kiosks dieser Tage seiner geneigten Kundschaft: „Beim Kauf von drei Getränkekisten liefere ich frei Haus oder mein Sohn, wo, wann und wie sie wollen.“ Sodom? Gomorrha? Zladko?

ochverehrten Brüdern Podewitz zum Goldenen Besen im Kabarett-Nachwuchswettbewerb die allerbesten Glück- und Segenswünsche. Wobei ich die Bedingung stelle, dass diese Söhne Bremerhavens nie und nimmer das Erbe der Müllfischer antreten oder gar Oberbürgermeister von Fishtown werden: Satire darf auch nicht alles!

Mahnt in alter Verbundenheit

Ulrich „Veterano“

Reineking

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