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Unverantwortlich

Unter dem Vorwand, damit einen „wichtigen Beitrag zur Integration“ zu leisten, strebt der scheidende Schulleiter der Schwerhörigenschule Hamburg eine Zusammenlegung mit der Heinrich-Wolgast-(Regel-)Schule an, um vor allem eine Zusammenlegung mit der Gehörlosenschule zu vermeiden. Dass seitens der Heinrich-Wolgast-Schule ihre ,Standortsicherung' in St. Georg dabei im Vordergrund des Interesses steht, ist immerhin ehrlich im Gegensatz zu obigem Vorwand: Zwecks Standortsicherung kann nämlich gar nicht von Integration die Rede sein (...). Diese Strapaze eines einseitigen Anpassungsdrucks an die „hörende Gesellschaft“ haben einige schwerhörige SchülerInnen bereits hinter sich und waren dem nicht gewachsen, weshalb sie ja dann zur Schwerhörigenschule wechselten. (...)

Ob schulische Integration zu erreichen ist, scheint anlässlich der Erfahrungen vom Hamburger Lohmühlengymnasium fragwürdig. Bei einer Befragung der dortigen schwerhörigen SchülerInnen, die nur für Hamburg die Möglichkeit haben, nach einem Abschluss an der Schwerhörigenschule das Abitur zu machen, stellte sich heraus, dass nicht einmal von schulischer Integration die Rede sein kann.

Mit ihrer isolationistischen Politik gegenüber der Gehörlosenschule treibt die Schwerhörigenschule schließlich ein unverantwortliches Spiel. Die Gehörlosenschule wird angesichts geringer werdender Neuanmeldungen auf die Dauer nicht selbständig bleiben können. Von hier aus gesehen ist die Zusammenlegung mit der Schwerhörigenschule nur wünschenswert für die Gehörlosen und (!) leistungsschwachen schwerhörigen SchülerInnen, die ansonsten vollkommen isoliert würden oder auf andere Sonderschulen gehen müssten – wahrscheinlich für geistig behinderte Kinder –, die für ihre speziellen Bedürfnisse gar nicht eingerichtet sind.

Da es nun aber soweit gekommen ist, dass gehörlose Kinder qua Hörstatus und/oder nicht zureichender Intelligenz derart rücksichtslos ausgegrenzt werden sollen, weil sie als Gefahr für die erfolgreiche Arbeit der Schwerhörigenschule angesehen werden, muss dringend an die Schulbehörde appelliert werden, sich nicht auf eine solche Form von Sozialrassismus einzulassen. Lars Bruhn

(nach Schwerhörigkeit ertaubt) Jürgen Homann (von Geburt an schwerhörig), beide Examinanden der Schwerhörigen- und Gehörlosenpädagogik an der Uni HH

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