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Unübersehbare Signale

betr.: „Frisch rasiert für die Bewährung“, taz vom 18. 6. 02

Betrachtet man die gesellschaftspolitischen Realitäten und hier insbesondere den Umgang mit Flüchtlingen, wundert man sich, dass von der konservativ-populistischen Seite mit ihren rechten Ausuferungen noch keine Verfassungsänderung von Art. 1 des Grundgesetzes beantragt worden ist. „Die Würde des Menschen ist nur unantastbar, wenn die deutsche Staatsbürgerschaft vorliegt, helle Hautfarbe und ein einwandfreies Deutsch nachgewiesen werden kann. […]“

Was aber im Rahmen des Grundgesetzes noch auf dem Papier steht, das wird andernorts ins Gegenteil verkehrt: Man redet über Integration, aber integriert nicht. Man redet von Rechtsstaat, aber praktiziert ihn nicht. Man redet von Mitmenschlichkeit und will doch nichts mit Fremden zu tun haben. Die sich immer weiter ausbreitende Ablehnung gegenüber Ausländern und hier vor allem der Flüchtlinge ist in Deutschland schon immer auf begeisterungsfähige Massen gestoßen. Vorbereitet durch Politiker, Medien, Richter, Polizei und andere Entscheidungsträger der Gesellschaft, werden unübersehbare Signale an das Volk übermittelt. Ein verschlepptes Gerichtsverfahren wie im Falle Rostock-Lichtenhagen ist ein Signal an Täter und Opfer: „Wir haben Zeit. Es gibt wichtigere Dinge!“ Jetzt ist Wahlkampf, und es darf mal wieder nach Lust und Laune gezündelt wie geheuchelt werden.

STEFAN DERNBACH, Siegen

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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