Untersuchungsausschuss zur HRE: Kritik prallt an Steinbrück ab
Finanzminister Steinbrück mag bei der Rettung der Bank Hypo Real Estate keine Fehler erkennen. "Stolz" sei er auf seine Leistung. Opposition und Protestierer von Attac sehen das anders.
Aus der Ruhe bringen lässt sich der Finanzminister kaum. Nicht vom gewaltigen Medienaufgebot, das seinen Auftritt im Untersuchungsausschuss zur Rettung der Bank Hypo Real Estate (HRE) begleitet.
Nicht von vier Attac-Demonstranten, die zu Beginn seiner Befragung auf der Zuschauertribüne ein Transparent entrollen und die Offenlegung aller HRE-Akten sowie eine stärkere Beteiligung der Banken an den Rettungskosten fordern, und auch nicht von geprellten Anlegern, die auf T-Shirts erklären, sie wollten ihr "Geld zurück".
Im Gegenteil, Peer Steinbrück ist die Ruhe selbst. Bevor seine Vernehmung als Zeuge beginnt, hält er ein fast zweistündiges Referat, in dem er - frei von neuen Erkenntnissen - die Finanzkrise von ihren Ursprüngen in den 80er-Jahren bis heute detailliert erläutert. "Stolz" ist Steinbrück, dass er schon vor Ausbruch der Krise für mehr Transparenz auf den Finanzmärkten eingetreten sei.
Und auch später, so seine mehrfach wiederholte Kernaussage, habe die Regierung "sehr gut gearbeitet", alles richtig gemacht. Vor allem angesichts der Umstände: "Wir mussten in Echtzeit handeln, unter enormem Zeitdruck."
Erst als nach langer Zeit, als die Abgeordneten der Opposition mit ihren Fragen an der Reihe sind, lässt die Gelassenheit des Ministers etwas nach. Detailfragen des FDPlers Volker Wissing weist er empört zurück: "Das muss ich nicht wissen." Auf Vorwürfe des Linken Axel Troost, dass Deutschland Vorgaben der EU ignoriert habe, weil ein vorgeschriebener ständiger Ausschuss zur Finanzmarktkontrolle im Jahr 2008 überhaupt nicht getagt habe, reagiert Steinbrück spöttisch - ohne den Vorwurf im Kern widerlegen zu können.
Inhaltlich wiederholte die Opposition ihre Vorwürfe, dass die Regierung über die bedrohliche Lage der HRE nicht rechtzeitig und ausreichend informiert gewesen sei, obwohl es Warnungen gegeben habe. Gerhard Schick von den Grünen zitiert einen Bericht der Finanzaufsichtsbehörde Bafin, der schon im März 2008 vor Liquiditätsproblemen bei der HRE gewarnt hat. FDP-Mann Wissing verweist auf Aussagen von Bafin-Chef Jochen Sanio; dieser hatte erklärt, die HRE sei ein "Saustall" gewesen und habe schon seit 2007 "in der Falle gesessen".
Darauf reagierte Steinbrück ungehalten: Dem Ministerium habe Sanio nichts Derartiges mitgeteilt. Steinbrück fühlt sich trotz solcher Widersprüche im Recht: "Wir haben weitreichenden Schaden von unserem Land, unseren Bürgern abwenden können", lautet sein Fazit aus der HRE-Rettung.
Das Fazit der Opposition nach 22 Sitzungen des im April eingesetzten Untersuchungsausschusses fällt anders aus: Der Ausschuss habe gezeigt, dass die Kommunikation zwischen den Behörden nicht funktioniert, lautet die wichtigste Erkenntnis von Wissing.
Troost betont, der Ausschuss habe Versäumnisse der Regierung gezeigt, die "unwissend ins Rettungswochenende hineingestolpert sei und dabei - anders als von ihr behauptet - kein gutes Ergebnis erzielt habe. Auch für Schick ist deutlich geworden, dass die Bundesregierung Warnungen ignoriert und damit ihre Sorgfaltspflicht verletzt habe.
Mit Steinbrück hat der Ausschuss seinen letzten Zeugen vernommen. Doch zu Ende ist die Arbeit damit noch nicht. Bis zur Bundestagswahl soll es einen Bericht geben; in welcher Form die Arbeit danach weitergeht, ist offen - ebenso wie die Frage, in welcher Koalition über mögliche Konsequenzen aus den gewonnenen Erkenntnissen entschieden wird.
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