Untersuchung von Marine-Einsatz: Israel wird nachdenklich
Eine Kommission soll nun den blutig verlaufenen Einsatz gegen die Gaza-Hilfsflotte aufklären. Dazu lädt Israel auch internationale Beobachter. Allerdings können denen einzelne Informationen vorenthalten werden.
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TAL AVIV dpa | Bislang hat sich die israelische Regierung vorbehaltlos hinter den blutig verlaufenen Einsatz gegen die Gaza-Hilfsflotte gestellt. Nun ist man offenbar doch zur Selbstkritik bereit: Eine interne Untersuchungskommission soll nun über den Einsatz aufklären. Das kündigte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Sonntag während einer Sitzung mit Ministern seiner rechtsorientierten Likud-Partei an.
Wichtig dabei: Der fünfköpfigen Kommission sollen zwei juristisch geschulte internationale Beobachter angehören. Vorsitzender der Kommission wird der ehemalige Richter des Obersten Gerichts in Jerusalem, Jaakov Tirkel, werden. Wie Netanjahu mitteilte, habe er US-Präsident Barack Obama bereits über die Einzelheiten informiert.
Bei den beiden weiteren israelischen Kommissionsmitgliedern soll es sich auf Vorschlag Netanjahus um den Professor für internationales Recht, Shabtai Rosen, und den General der Reserve, Amos Horev, handeln. Als internationale Beobachter schlug Netanjahu den nordirischen Politiker und Friedensnobelpreisträger David Trimble sowie den auf internationales Recht spezialisierten kanadischen Anwalt Ken Watkin vor. Alle fünf vorgeschlagenen Kandidaten sollen noch am Montag von der Regierung bestätigt werden.
So ganz offen ist die Untersuchung dann aber doch nicht: Die Beobachter dürfen zwar an den Anhörungen und Erörterungen der Kommission teilnehmen, haben aber keinen Einfluss auf deren Vorgehensweise und Rückschlüsse. Außerdem können ihnen Informationen vorenthalten werden, wenn die nationale Sicherheit Israels oder die internationalen Beziehungen gefährdet sind.
Die Regierung sei bereit, die Vereinbarkeit der Seeblockade des Gazastreifens mit internationalem Recht zu überprüfen, teilte das Büro des Ministerpräsidenten mit. Außerdem soll die Übernahme des türkischen Hilfsschiffs "Mavi Marmara" durch israelische Soldaten untersucht werden, bei der am 31. Mai neun Aktivisten getötet worden waren. Als dritten Punkt soll die Kommission Handlungen und Identitäten der Organisatoren der Gaza-Hilfsflotte und der teilnehmenden Aktivisten überprüfen.
Nach Darstellung der israelischen Armee handelten die Soldaten bei dem blutigen Einsatz auf dem türkischen Passagierschiff "Mavi Marmara" in Notwehr, da sie von den Aktivisten brutal angegriffen worden seien. Auch die Armee hat bereits eine eigene Untersuchung des Vorfalls angekündigt. Eine unabhängige internationale Untersuchung lehnte Israel bislang ab.
Netanjahu sagte am Sonntag während der wöchentlichen Kabinettssitzung, er habe bereits vor dem Zwischenfall mit der Solidaritätsflotte Beratungen über das weitere Vorgehen hinsichtlich der Gaza-Blockade abgehalten.
"Der Grundsatz unserer Politik ist klar - die Einfuhr von Waffen und Munition in den Gazastreifen soll verhindert und die Einfuhr humanitärer Hilfsgüter erlaubt werden", sagte Netanjahu. Angesichts der internationalen Forderungen nach einer Aufhebung der Blockade sagte der Regierungschef, die Beratungen sollten auch in der kommenden Woche andauern.
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