: Unterm Strich
Die „Goldene Himbeere“, eine Art Gegen- Oscar für alles, was schlecht ist, wurde am Vorabend der Oscar-Verleihung vergeben. 355 Kinoexperten verpaßten die mit Goldfarbe besprühte Riesenhimbeere in Golfballgröße (Wert: rund zwei Dollar) zum Beispiel Janet „Sister“ Jackson für ihr Filmdebüt in „Gerechtigkeit und Poesie“. Ziemlich unprofessionell, weil allzu hoffnungsfroh, hatte sie von ihrem Filmpartner einen Aidstest gefordert. Auch Madonna wurde gnadenlos abgestraft: als schlechteste Hauptdarstellerin in „Body of Evidence“, in dem sie als lüsterne Hausfrau in den Verdacht geriet, ihren betagten Gatten durch, nun ja, zuviel und zu heftigen Geschlechtsverkehr um die Ecke gebracht zu haben. Zum schlechtesten Film des Jahres 1993 wurde jedoch „Ein unmoralisches Angebot“ gekürt, in dem Millionär Robert Redford einer jungen Ehefrau 1 Million Dollar für eine Liebsnacht bietet. Wahrscheinlich wegen der großen Nachahmungsgefahr. Und aus völliger Unkenntnis anthropologischer Tatsachen.
Wir haben das schon längst gewußt, und jetzt ist es sogar wissenschaftlich erwiesen: Die Bereitschaft zum Seitensprung ist angeboren. Das beweist eine Studie des Aachener Soziologen Heinz Meyer, der für sein neues Buch „Sexualität und Bindung“ fünf Jahre lang das sexuelle Verhalten von Menschen in verschiedenen Gesellschaften und Epochen untersuchte. Meyer wertet den Seitensprung demnach nicht als Fehlverhalten, sondern als Erbe der frühen Geschichte und der tierischen Vorfahren des Menschen. Deshalb ist er auch nicht auf ein harmonisches Leben zu zweit angelegt, sondern in erster Linie auf die Sicherung von Nachkommen. Die Wallungen der Verliebtheit sind – das weiß nun wirklich jedeR – einfach angenehmer als die „kopflastige Liebe“. Außerdem, weiß Meyer, ist der Alltag ein entscheidender Störfaktor, in dem sich die Partner gerne wie folgt gehenlassen: Die Frau empfängt den Mann am Abend in der Kittelschürze, der Mann stellt seine Schuhe achtlos irgendwo ab, kümmert sich um nix und legt die Beine hoch. Dieses Muster reicht bis in die Sexualität! Die Frau sitzt also mit Kittelschürze im Bett, der Mann stellt seine Schuhe aufs Kopfkissen, kümmert sich um nix und legt ihr die Beine auf die Ohren. Da schwindet die Begeisterung. Und die Partner haben wieder Augen für andere Männer und Frauen. Wundert uns gar nicht.
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