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Unterm Strich

Same procedure as ev'ry day in Sachen Hochhuth und Müller-Nachfolge. „Drängt“ er nun ins Berliner Ensemble (dpa), „greift“ er gar danach (dpa), „reißt“ er es sich unter den Nagel (manch andere Stimme aus Telefonen und auf Fluren) – Hochhuth selbst dementiert, um es dann doch wieder nicht so gemeint zu haben. Er habe mit seinem Vorstoß lediglich sein Angebot erneuert, das er schon beim Weggang von Matthias Langhoff vor drei Jahren gemacht habe, schrieb Hochhuth in einem offenen Brief an den Berliner Kultursenator Ulrich Roloff- Momin. Indes hat sich auch Bundespräsident Roman Herzog in die Reihe der Würdiger begeben. In einem Beileidsbrief an seine Müllers Witwe Brigitte Meyer schrieb Herzog, Heiner Müller sei ein ungewöhnlich sprachkräftiger und wirkungsmächtiger Schriftsteller gewesen. Er habe mit seinen schöpferischen Talenten und Kräften versucht, seiner „Verantwortung in der heutigen Zeit gerecht zu werden“ („und redete mit der Brandung BLA BLA...“)

Als „beklemmende Szenenfolge über die Abgründe der Gulags und Konzentrationslager“ hat Kiepenheuer & Witsch das neue, letzte Müller-Stück „Germania 3 Gespenster am Toten Mann“ angekündigt. Ende Februar soll es a.a.O. erscheinen, der Klappentext scheint im wesentlichen fertig: „Noch einmal spannt Müller darin den Bogen von den Mythen und Utopien der Oktoberrrevolution und des Deutschen November 1918 über die Schlachtfelder des Zweiten Weltkriegs und die frühen Jahre der DDR bis in die Gegenwart des wiedervereinigten Deutschland.“ Mannomann, denkt man, das muß ja mindestens 1.000 Seiten haben, das Teil, es sind aber (inklusive einem lexikalischen Anhang von Stephan Suschke) nur 100 – das kriegt man gerade noch aufgeführt. Was mit der für April geplanten Premiere am verwaisten Berliner Ensemble wird, weiß in diesen Zeiten allerdings keiner.

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