Unterm Strich:
Es gab kein Ultimatum, denn aus technischen Gründen konnte es gar keines geben. Denn wer ein Institut schon verlassen hat, kann schlecht damit drohen, dass er sich zurückzieht. So sieht die Situation am Dresdener Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in der Darstellung des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf aus. Einige Zeitungen wie die Süddeutsche Zeitung oder der Berliner Tagesspiegel hatten gemeldet, dass der renommierte Holocaust-Forscher Saul Friedländer den wissenschaftlichen Beirat des Instituts verlassen will, wenn Uwe Backes, der stellvertretende Direktor, nicht seines Postens enthoben wird, wie es der Beirat am 19. November empfahl.
Sein Weggang hätte einen enormen Reputationsverlust bedeutet, der sich auch auf die finanzielle Großzügigkeit etwelcher Sponsoren hätte niederschlagen können. Doch der Schaden ist schon da. Denn tatsächlich ist Saul Friedländer schon im November aus dem Beirat ausgeschieden. Kurz nachdem der Privatdozent Lothar Fritze, Angestellter des Instituts, am 8. November in der Frankfurter Rundschau einen Beitrag in ablehnender Haltung über den Hitler-Attentäter Georg Elser veröffentlicht hatte. Fritze sprach Elser darin die moralische und politische Legitimation für seinen Attentatsversuch ab und stellte fest, Elser habe seine „politische Beurteilungskompetenz“ überschritten. Der Beitrag stieß auf breite Empörung, vor allem seitens der Historiker.
Gegen den Rat und Wunsch des Direktors des Instituts, Klaus-Dietmar Henke, hatte der nationalkonservative Uwe Backes den Privatdozenten Fritze in seinem Vorhaben unterstützt und sich später demonstrativ auf seine Seite gestellt.
Nun ist also die sächsische Landesregierung bemüht, den Historiker wieder für die Gremien zu gewinnen. Offensichtlich ist man in Kontakt, denn bei dem vermeintlichen Ultimatum handelt es sich um einen Brief Friedländers an die Landesregierung, in dem er sie auffordert, die Personalprobleme am Institut bis zum 15. Januar endgültig zu lösen. Weil aber das Kuratorium des Hannah-Arendt-Instituts den Empfehlungen des Beirats nicht folgte, ist die Lösung keine einfache Sache. Das Wissenschaftsministerium freilich, so ist zu erfahren, arbeitet dennoch heftig daran.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen