piwik no script img

Unterm Strich

Sind wir in Berlin vielleicht glücklich! Darf man schon sagen, wenn man oben und unten liest. Die Spielpläne vieler deutscher Stadttheater gleiten nach Ansicht von Hansgünther Heyme, Leiter der Ruhrfestspiele in Recklinghausen, immer mehr ins Seichte und Unverbindliche ab. „Unter steigendem Finanzdruck und Angst vor Publikumsschwund unterlaufen viele Theatermacher ihren kulturpolitischen Auftrag“, sagte Heyme am Samstag in einem Gespräch mit dpa. Von den Bühnen gingen deshalb immer weniger wichtige Impulse für gesellschaftliche Debatten aus.

Viele Regisseure setzten in ihren Inszenierungen zu stark auf optische Effekte und eingängige Musik, wie es der Zuschauer von Kino und Fernsehen gewöhnt sei. „Wenn Theater in unserer Demokratie eine gesellschaftspolitische Funktion erfüllen will, sollte der Schauspieler und das von ihm gesprochene Wort im Zentrum stehen“, sagte Heyme. In den kleineren und mittleren Zeitungen würden immer weniger Rezensionen gedruckt. „In den letzten zehn Jahren sind 50 Prozent der Regionalfeuilletons verschwunden“, kritisierte Heyme. Die Bühnen dürfen nach Meinung des Festspielleiters als ängstliche Gegenreaktion zum Unterhaltungstrend nicht in museale Konzepte verfallen. Theater könne zum Nachdenken über feste Gewissheiten reizen.

Auch um den zeitgenössischen Tanz hierzulande scheint es derzeit nicht gerade gut bestellt zu sein. Diesen Eindruck vermittelte die Tanzplattform Deutschland 2000, die am Sonntag in der Hamburger Kampnagelfabrik zu Ende ging. An vier Tagen bot das geballte, von Produktionsstätten in Berlin, Frankfurt, München und Kampnagel ausgewählte Programm 20 Stücke von 17 Choreografen, darunter so bekannte Namen wie Amanda Miller, Anna Huber, Wanda Golonka, und Jo Fabian.

Die jungen Choreografen haben, so meint der Rezensent von dpa, offensichtlich Mühe, ihre Visionen dem Zuschauer zu vermitteln. Immerhin, der Hamburger Jan Pusch mit seinem tänzerisch exzellenten, dennoch skizzenhaft bleibenden Stück „Wish I was real“ und die Münchnerin Katja Wachter gefielen. Wachter hat Passanten befragt, was ihnen zu zeitgenössischem Tanz einfällt. Antworten wie „Ist durchgeknallt“, „Abgefahrener als Sex“ oder „Modernes Zeugs mit verrenkten Körperteilen“ wecken Heiterkeit beim Publikum und provozieren die Choreografin und ihre Truppe zu humorvollen Kommentaren, ohne diese Meinungen zu denunzieren.

Das Befragen des Mediums Tanz und seiner Mittel hat Wachter mit jüngeren Kollegen wie Tom Plischke und Thomas Lehmen gemeinsam, die kein „fertiges Stück“ zeigten, sondern in „distanzlos“ und „events for television (again)“ dessen Voraussetzungen, Ideen und Entstehen reflektieren.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen