Unterm Strich:
Günter Grass hat die Einrichtung einer Wolfgang-Koeppen-Stiftung beantragt. Koeppen verstarb 1996 „als Sozialfall“ (Grass). Die Stiftung soll die Literaturforschung zu Koeppen fördern, der mit seiner in den 50er-Jahren veröffentlichten Romantrilogie „Tauben im Gras“, „Das Treibhaus“ und „Der Tod in Rom“ zu schriftstellerischen Ruhm gelangt war. In „Das Treibhaus“ schildert Koeppen Politik als Geschäft, als Kalkül, als Akt der zwanghaften Anpassung. Das muss Bundeskanzler Schröder beeindruckt haben: Koeppen sei für ihn ein wichtiger Autor in seinem politischen Werdegang gewesen, sagte er in einem Gespräch mit Grass.
Bei so viel Sympathie werden sich vielleicht tatsächlich ein paar versteckte Reserven auftun, um Koeppens Geburtshaus mit Hilfe von Bundesmitteln zu renovieren. Koeppen gilt als einer der bedeutendsten deutschen literarischen Denker des vergangenen Jahrhunderts – neben Heinrich Böll und Arno Schmidt, obwohl er in der Öffentlichkeit weit weniger beachtet wurde. Sein Nachlass ist eines der größten schriftstellerischen Vermächtnisse des Jahrhunderts und damit eine Fundgrube für Literaturforscher: Die Büchersammlung umfasst etwa 10.000 Bände, hinzu kommen unveröffentlichte Manuskripte, ein Pressearchiv, eine Fotothek, Tonbänder mit Koeppen-Interviews, 6.000 bis 7.000 Briefe, sowie Biedermeier-Mobiliar. Und losgeforscht!
Die deutsche Popkultur mausert sich: Nachdem die königliche Traurigkeit von Stuckrad-Barre & Co wieder abflaut, wirft sich das Establishment jetzt auf die Clubkultur. Die Hamburger Kulturbehörde hat zusammen mit dem Musikkanal Viva Zwei und der Deutschen Phono-Akademie zehn Musikclubs der Hansestadt mit Geldprämien ausgezeichnet. Insgesamt 150.000 Mark wurden vergeben, den ersten Preis sprach die Jury dem Molotow zu, das für sein anspruchsvolles Programm 35.000 Mark bekam. 30.000 Mark gingen ans Birdland, 20.000 Mark an den Dennis Swing Club. Den Rest teilen sich Mojo Club, Fundbureau, Hafenklang, Westwerk, Werkstatt 3, Lola und Honigfabrik. Als nächstes dann Westbam beim Bundespresseball.
Und noch ein Häppchen Pop: Das Deutsche Musikarchiv Berlin hat den Teilnachlass der Sängerin Lale Andersen erworben. Die 1972 verstorbene Sängerin wurde vor allem während des Zweiten Weltkrieges mit dem auf verschiedenen Frontseiten populären Landserlied „Lili Marleen“ weltberühmt. Das Material umfasst unter anderem Briefe, handgeschriebene Orchester-Arrangements und Klaviermanuskripte, darunter die handgeschriebene Klavierstimme zu „Lili Marleen“ mit dem Datum „15. 6. 38“ und der Zeitangabe „2. 35“, die Andersen vermutlich zur Erstaufnahme des Liedes benutzte. Da sieht man, auch die Popkultur hat Tradition.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen