Unterm Strich:
Er war die wohl einflussreichste Gestalt der deutschen Jazz-Szene: Joachim-Ernst Berendt, geschätzt als „Jazzpapst“ und Wegbereiter der Weltmusikidee. Sein Vater, ein evangelischer Pfarrer, gehörte einst zum Widerstand gegen Hitler und starb im KZ Dachau. Der Sohn begeisterte sich für Jazz-Musik und pflegte dieses damals nicht ungefährliche Hobby heimlich. Diese Erfahrung trug dazu bei, den Jazz als „politische Musik“ zu verstehen.
Nach dem Krieg gehörte Joachim-Ernst Berendt zu den Gründern des Südwestfunks (SWF). Von Baden-Baden aus trug er maßgeblich dazu bei, die afromerikanische Musik in Deutschland zu popularisieren und die Bundesrepublik musikalisch auf die Höhe ihrer Zeit zu bringen. Später, 1964, hob er das renomierte Berliner „Jazzfest“ aus der Taufe, und seit den 60er-Jahren arbeitete er daran, die Verbindung von Jazz mit außereuropäischen Musikstilen zu einer neuen „Weltmusik“ zu fördern. Auf Anregung von John Coltrane, mit dem er freundschaftlich verbunden war, reiste er nach Asien, Ostafrika und Lateinamerika. Seine Erlebnisse dort inspirierten ihn zu Plattenreihen, Buchideen und Musikfestivals.
Mehr als 10.000 Jazzsendungen gehen auf sein Konto, und 33 Bücher. Sein „Jazzbuch“ gilt mit einer Auflage von fast zwei Millionen als meistverkauftes Musikbuch überhaupt und zählt in den USA zur Pflichtlektüre an den Universitäten.
In späten Jahren wandte sich Berendt zunehmend spirituellen Fragen zu. „Die Welt ist Klang“ hieß das erste aus einer Reihe von Werken, in denen er die Welt durch die Hörerfahrung zu deuten versuchte. Anders als dem „täuschungsfähigen“ Auge traute Berendt es vor allem dem Ohr zu, für ein Gleichgewicht von Mensch und (innerer wie äußerer) Natur zu sorgen. „Das Leben ist Klang“ nannte Berendt konsequenterweise seine Autobiografie, die 1996 erschien. Darin zeichnete er die Stationen seines Lebens skizzenhaft nach, seine Begegnungen mit den Größen des Jazz, vor allem aber seine Lebensphilosophie, die von mehr als einem Schuss Esoterik getränkt war. Vor zwei Jahren feierte er seinen 75. Geburtstag und wurde vom SWR und anderen Sendern mit großen Fernsehkonzerten geehrt. Gestern ist Joachim-Ernst Berendt im Alter von 77 Jahren in Hamburg gestorben. Ein ausführlicher Nachruf folgt.
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