: Unterm Stich
Noch treibt man seine frierenden Angehörigen über die Berliner Baustellen, aber bald schon stehen plüschigere Zeiten ins Haus. Allein am Potsdamer Platz sollen irgendwann in diesem Leben rund 5.000 bis 6.000 Kinoplätze zur Verfügung stehen. Das soll allein etwa ein Drittel der Kinositzplätze ausmachen, die durch den Bau von 33 (!) Multiplexen in Berlin entstehen. Dabei geht der Berliner, im Gegensatz zum Beispiel zum Münchener, gar nicht so oft: der Münchner 4mal jährlich, der Berliner 2,6mal. Es hat jetzt keinen Sinn, wenn Sie sagen: „Was, ich allein gehe doch schon 56,2mal pro Jahr.“ Es handelt sich nämlich um einen Durchschnittswert, verstehen Sie, und da kann es vorkommen, daß man selbst plötzlich himmelweit über dem Durchschnitt liegt, wenn man auch sonst in vielen anderen Dingen, wo es einem dann auch wieder nicht recht ist, ganz unter dem Durchschnitt liegt: zum Beispiel dem Einkommensdurchschnitt oder dem „Verbringt soundso viele Tage an frischer Luft, von niedlichen Schmetterlingen umzwitschert“- Durchschnitt oder dem „Bekommt täglich haufenweise Fanpost“-Durchschnitt.
Hartnäckig muß man immer wieder die Klage zurückweisen, die elektronischen Medien seien schuld daran, daß die Menschen nicht mehr ins Museum gingen. Es gehen nämlich in Wirklichkeit immer mehr Leute ins Museum, und warum sonst sollte auch die Zahl der Ausstellungen ins Exorbitante und Formidable anschwellen? Mehr als eine halbe Million Gäste haben beispielsweise 1996 die Museen der Stiftung Weimarer Klassik besucht. Das sei trotz der Schließungen des Goethe-Museums, des Römischen Hauses und des Kirms-Krackow-Hauses nur ein minimaler Rückgang zum Vorjahr, sagte Stiftungssprecherin Angela Jahn gegenüber der dpa. Mit 300.000 Gästen aus dem In- und Ausland war Goethes Wohnhaus am Frauenplan wieder der Renner. Seit August regeln Zeitkarten den Besuch des historischen Hauses. Die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek konnte ein Besucherplus von 4.000 verzeichnen. Die Forschungsbibliothek mit ihren jahrhundertealten Schriften und dem Rokokosaal fand rund 20.000 Interessierte.
Kurt Masur, der am Silvesterabend zum letzten Mal als Gewandhauskapellmeister in Leipzig am Dirigentenpult stehen wird, soll am 27. Februar mit einem Festakt verabschiedet werden. Außerdem habe die Stadt den Maler Bernhard Heisig beauftragt, ein Porträt des Dirigenten anzufertigen, teilte Kulturdezernent Georg Giradet am Freitag mit. In der 26jährigen Ära Masur sei das Neue Gewandhaus am Augustusplatz zu einem führenden Konzerthaus Europas avanciert, und das Gewandhausorchester, ältestes deutsches Konzertorchester, habe seinen Ruhm erneuert. Masur wird das traditionelle Silvesterkonzert mit der 9. Sinfonie Ludwig van Beethovens leiten. Seit Wochen restlos ausverkauft.
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