Unter schwarzer Flagge

Was bedeutet politische Kultur unter rein konservativer Herrschaft? Antworten darauf finden sich im emsländischen Papenburg: Momentan übt sich die dortige Mehrheits-Fraktion in Selbstzerfleischung

Wäre der Rauswurf der Stadtverordneten Symptom ihres Eigennutzes?

von Benno Schirrmeister

Pythagoras irrt: Dem griechischen Philosophen zufolge wäre die Zahl sechs Symbol und Garant des häuslichen Friedens. Aber das stimmt nicht. Widerlegt wird er ausgerechnet in Papenburg. Dort stehen sechs CDU-Stadträte im Zentrum eines erbittern Streits.

Papenburg liegt im Emsland, also jener Region, an der sich exemplarisch studieren lässt, was politische Kultur unter rein konservativer Herrschaft bedeutet und welche Sitten und Gebräuche dabei entstehen. Im Emsland nämlich haben die Christdemokraten seit es sie gibt noch nie weniger als die Hälfte der Wählerstimmen erhalten. Und im Rat der Stadt Papenburg verfügt sie über 23 der 38 Sitze – satte 60 Prozent. Allerdings sind es jetzt offenbar nur noch 17, denn sechs ihrer Mitglieder hat die Fraktion Ende Juli ausgeschlossen. Angeblich, ohne ihnen dies vorher mitzuteilen.

„Wir haben von dem Rauswurf erst durch die Presse erfahren“, bestätigt Carsten Schüler, der vor Jahr und Tag sogar selbst Fraktions-Chef war und den die Gruppe der Sechs zu ihrem Wortführer bestimmt hat. Einigungsgespräche habe es bislang nicht gegeben.

Auslöser des Zerwürfnisses ist ein Investitionsprojekt mit einem Volumen von rund 30 Millionen Euro – und das ist in einer Stadt mit 34.000 Einwohnern eine erhebliche Größenordnung. „Hui“, entfährt es Pressesprecher Josef Franke, als er auf die Vorgänge angesprochen wird. „Das sind aber keine Fragen, die in die Kategorie Bagatelle fallen“, und erbittet sie schriftlich.

Dann drechselt er zurück, dass es sich um eine fraktionsinterne Angelegenheit handele, die in der Tat Aufmerksamkeit errege, die jedoch keinen Anlass gebe zu der Befürchtung, „dass der Rat als oberstes kommunalpolitisches Organ Schaden nimmt“.

Es handele sich um einen „heftigen, aber demokratischen Streit“, sagt der Pressesprecher. Und es sei davon auszugehen, dass „die CDU-Fraktion wieder zur Gemeinsamkeit zurückfindet“. SPD-Fraktionsführer Hartmut Bugiel sieht in dem Rauswurf hingegen ein Symptom der „Selbstbedienungspolitik mancher CDU-Ratsherren“. Bemerkenswert: Gemeint sind damit jene, die den Bann ihrer Parteifreunde auf sich gezogen haben. „Diese Entscheidung der CDU-Fraktion war völlig in Ordnung“, lobt der SPD-Mann. „Wir haben das einhellig begrüßt.“

Gebaut werden soll in Papenburg ein Supermarkt, bauen will eine Groß-Kette mit Sitz in Neu Ulm. Und im Grunde befürworten den Plan alle. Dagegen gestimmt haben lediglich die sechs CDUler – in einer nichtöffentlichen Sitzung des Rates. „Danach sind wir quasi zum Rapport bestellt worden“, erzählt Schüler, „und sollten uns binnen sieben Tagen von unserem politischen Fehlverhalten distanzieren.“ Es habe sich aber nicht um ein Fehlverhalten gehandelt. „Wir konnten diese einseitige Festlegung nicht mittragen.“

Denn, so die Meinung der Sechs, dadurch würde ein Vertrag verletzt. Genau genommen handelt es sich dabei um eine Kooperations-Vereinbarung der Stadt mit einem lokalen Investor. Und mindestens einer der sechs war damit vorher befasst – als Rechtsanwalt.

Deshalb war schon vorab heftig diskutiert und durch den Landkreis geprüft worden, ob der betreffende Abgeordnete überhaupt an der Entscheidungsfindung mitwirken durfte. Ergebnis: Er durfte. Bugiel: „Dass nun ausgerechnet die gleiche Person bei der Abstimmung ausschert, ist bemerkenswert.“