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Archiv-Artikel

RADIO-INTERVIEW Unter Unseld nie

Leute die Drogen nehmen, sind nicht exotisch, sondern Lehrer

Ich hatte das Interview mit der Sendung „Neugier genügt“ zugesagt, obwohl ich ein bisschen Angst hatte. Es sollte ein kurzes Livegespräch am Morgen sein. Ein paar Tage hatte ich gedacht, es handle sich um Fernsehen und mir ausgemalt, wie ich mit meiner mexikanischen Make-up-Artistin aufkreuzen würde. Es war aber Radio. Das Radio kam mir vor wie ein Lehrerzimmer, in das man mich gerufen hatte. Mit leicht panischen Gefühlen war ich ins Studio gefahren. Die Stimme der Moderatorin war beruhigend. Anfangs las ich einen Text, der von einem anderen Interview handelte, bei dem ich einen Text vorgelesen hatte, der vom russischen Radio in Berlin handelte und davon, dass mir danach ein Taxifahrer gesagt hatte, es sei ja alles ganz nett, aber „unter Unseld hätten Sie bei Suhrkamp nicht veröffentlichen können“.

Ich sprach, ohne mich groß zu verhaspeln. Die Fragen waren okay. Nur eine hatte ich nicht gut beantwortet. Ich hatte kompliziert formulieren wollen, mit der Doppelbedeutung von fertig gespielt und ärgerte mich im Nachhinein. Ich hätte einfach sagen sollen, Leute die Drogen nehmen, sind nicht exotisch, sondern Lehrer, Postboten, Krankenschwestern, Journalisten, Schüler, Studenten, Arbeitslose und Touristen natürlich. Das berühmte Berliner Nachtleben, wegen dem so viele junge Touristen kommen, ist recht drogenaffin. Und deshalb kiffen in den Texten manchmal Leute und ich auch, weil es unehrenhaft gewesen wäre, das zu verheimlichen.

Den Rückweg ging ich zu Fuß. Da sprach mich ein kleiner Mann an. Er war vielleicht 70 und erinnerte mich an meinen Opa. Er fragte, in einwandfreiem Deutsch, mit einem angenehmen russischen Akzent: „Sprechen Sie Deutsch?“ Ich antwortete „Nein.“ Dann gingen wir auseinander. Ich stellte mir vor, dass er mich für einen Russen gehalten hatte und freute mich. DETLEF KUHLBRODT