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Archiv-Artikel

Unsichere Investitionen

Multinationale Konzerne scheitern an fremden Kulturen. Eine fundierte Geschichte des Kommerzes und der Globalisierung von Daniel Litvin

Die Geschichte der so genannten Globalisierung steckt voller Versuche, das Eindringen in fremde Kulturen zu meistern – üblicherweise vergeblich.

Zwei Wege stehen multinationalen Konzernen offen, um ihre Imperien zu verteidigen. Dazu können sie sich im Gastland integrieren, Sozialpädagogik betreiben, Schulen unterhalten und Straßen bauen, oder sie können Inseln in der fremden Kultur bleiben, mit ihrer Macht spielen und bei Bedarf einen blutigen Staatsstreich anzetteln. Daniel Litvins Verdienst ist es, anhand der Geschichte ökonomischer „Elefanten“ beiden Wegen nach zu spüren.

Die reizvolle Reise durch die „Weltreiche des Profits“ beginnt der Philosoph und Journalist mit der englischen Ostindienkompanie, der das Königreich seine indische Kolonie verdankte, aber auch folgenschwere Probleme. Denn das eroberte muslimische Reich der indischen Moguln schlug kulturell zurück: Es assimilierte Manager der top-transnationalen Handelsgesellschaft des 17. Jahrhunderts und saugte als unstillbarer Kostenfaktor die Ostindienkompanie aus. Nach 200 Jahren mit vielen ökonomischen Triumphen wurde die Bilanz der Ostindienkompanie 1874 für immer geschlossen.

Litvin reist weiter über Cecil Rhodes und seine British South Africa Company, mit der er Südafrika eroberte, über die Südmandschurische Eisenbahngesellschaft, mit der Japan sich einen wichtigen Teil Chinas aneignete und den Zweiten Weltkrieg provozierte, bis zu Nike und seinen Fabriken in der „Dritten Welt“ sowie Robert Murdochs Medienkonzern, der (noch) in China und Indien triumphiert.

Litvins Buch macht zweierlei deutlich: „Es gibt für westliche Wirtschaftsunternehmen keine einfache Regel für den Umgang mit lokalen Widerständen.“ Und, „die transnationalen Konzerne von heute sind – ebenso wie ihre Vorläufer – schlecht gerüstet, um die soziale Umgebung ihrer Gastländer verstehen oder gar mitgestalten zu können.“ Litvins Botschaft lautet daher, multinationale Investitionen sind „unsicherer und prekärer“, als Manager glauben. Der frühere politische Berater des weltweit größten Bergwerksunternehmens, Rio Tinto, empfiehlt daher den Herren aus anderen Ländern, Kultur, Politik und Soziales des Fremden kennen zu lernen, ernst zu nehmen und erst danach zu handeln.

Wie problematisch dies ist, zeigt das Beispiel United Fruit. Der unter Linken bis heute verhasste Bananenkönig nutzte die ganze Bandbreite an Handlungsmöglichkeiten, wie es wohl kaum ein anderer Gigant tat. Seinen schlechten Ruf verdiente sich der Multi mit einem von ihm gesteuerten Putsch gegen den ersten demokratisch gewählten Präsidenten Guatemalas, Jacobo Arbenz. Der Staatsstreich des amerikanischen Konzerns – mit politischer und militärischer Unterstützung Washingtons – war für sich durchaus erfolgreich, läutete jedoch auch den Niedergang von United Fruit ein. Der internationale Ruf war dahin, in den USA interessierten sich plötzlich Öffentlichkeit und Politiker für die Machenschaften in Guatemala, und das bis dahin friedlich ausgebeutete Land versank in einem Bürgerkrieg, der 36 Jahre dauerte.

Im Unternehmen selbst war das gepflegte Geschäftsklima zum Teufel. Dabei war die Vorgeschichte keineswegs teuflisch. Der Putsch erschien den United-Fruit-Bossen erst notwendig, als der integrative Weg ins Abseits geführt hatte. Zuvor unterhielt der Konzern eine Schule für Tropenlandwirtschaft, in der arme Farmarbeiter aus ganz Mittelamerika freien Unterricht erhielten. Es gab Musterdörfer und ein Gesundheitssystem für die Arbeiter. Trotzdem hatte sich der Konzern nie in Guatemala oder anderswo eingelebt, er blieb ein Fremdkörper im Gastland, und für die Menschen blieb – nicht zu Unrecht – die gute wie die böse Tat immer das Werk geldgieriger Kapitalisten aus dem reichen Norden. Immer wieder stößt in Litvins Geschichten das Nationale auf das Internationale – ein letztlich unlösbarer, aber auch untrennbarer Zusammenhang. HERMANNUS PFEIFFER

Daniel Litvin: „Weltreiche des Profits“. Aus dem Englischen von Norbert Juraschitz und Karin Miedler. Gerling Akademie Verlag, München 2003, 414 Seiten, 29,60 Euro