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„Unsere Geduld ist zuende, wir wollen Taten“

■ 1.Mai-Kundgebung des DGB auf dem Marktplatz / „Eine Situation wie 1932“

„Hände weg vom Schlechtwettergeld“ forderte ein Transparent der IG Bau Steine Erden gestern auf dem Marktplatz. Das Geld hätten die knapp 2000 DemonstrantInnen sich verdient: Bei kaltem Wetter waren sie dem Aufruf des DGB zur 1.Mai-Demonstration gefolgt, um sich wenigstens an den Reden zu erwärmen. Helga Ziegert, Bremer DGB-Vorsitzende, und Herbert Eherenberg, ehemaliger SPD-Bundesarbeitsminister, heizten dann auch erwartungsgemäß dem Klassengegner ein: Sie zogen gegen die Bundesregierung und die Unternehmer vom Leder.

„Arbeit!“ hieß das Motto des diesjährigen Tages der Arbeit und geredet wurde vor allem über das Gegenteil: Bei vier Millionen Arbeitslosen in der Bundesrepublik sah Helga Ziegert den „gleichberechtigten Platz der Arbeiter in der Gesellschaft“ gefährdet. Das Beispiel Klöckner zeige zwar vorbildlich, wie durch die konzertierte Anstrengung von Gewerkschaften, Management und Politik 4000 Arbeitsplätze gerettet werden könnten, doch Lemwerder sei ein Beispiel für „unternehmerische Willkür“. Herbert Ehrenberg dagegen meinte, eine Kungelei zwischen der Dasa und der Gutachterfirma Berger sei nicht verwunderlich: „Beide sind schließlich im Besitz der Deutschen Bank.“

Trotz Subventionen jammerten die Bremer Unternehmen immer noch, meinte Ziegert: „Was tragen die Unternehmen eigentlich von ihrer Seite zur wirtschaftlichen Gesundung bei ?“, fragte Ziegert unter dem Applaus der Menge. Durch Reallohnverlust in den Tarifrunden und durch ihre Steuergelder pumpten die Beschäftigten Bremens viel Geld in die Unternehmen, die wiederum einfach Arbeitsplätze abbauten: „Unsere Geduld ist zuende“, so die DGB-Vorsitzende mit Blick auf die 32.000 Arbeitslosen in Bremen, „Wir wollen von den Unternehmen endlich Taten sehen. Die alten Ziele wie mehr Lohn, Arbeit für alle und eine gerechtere Verteilung des Reichtums sind heute aktueller denn je.“

Auch Herbert Ehrenberg donnerte gegen die Politiker und Unternehmer, die „davon reden, den Gürtel enger zu schnallen und immer den Gürtel der anderen meinen.“ Real gebe es in Deutschland 6 Millionen Arbeitslose, die Situation sei mit den letzten Jahren der Weimarer Republik vergleichbar: „Es lohnt sich, in die Geschichte zu blicken, um zu sehen, nach welchen Maßstäben in Bonn Politik gemacht wird.“ Auch die Hochzinspolitik der Bundesbank ist an der Misere schuld, so Ehrenberg. „Dadurch werden die Exportchancen der Unternehmen weit höher belastet als durch Lohnkosten. Die Aufwertung der D-Mark hat die Unternehmen so stark belastet wie eine 25-prozentige Lohnerhöhung. Und was gäbe eine solche Erhöhung für ein Geschrei.“ Wer von Kürzungen des Arbeitslosengeldes rede, solle erstmal mit durchschnittlich monatlich 1282 Mark über die Runden kommen. „Die Herren und Damen würden damit keine Woche auskommen“, meinte Ehrenberg. „Was der als Ex-Minister kriegt, dürfte auch nicht so wenig sein“, kommentierte nüchtern ein Demonstrant. bpo

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