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Unser schönster kesser Vater

■ Mit einem Textilkaufhaus in die Charts: Die Bluesdame Marla Glen genießt

Was doch so aus einem Werbespot alles folgen kann. Eine Karriere beispielsweise, und zwar eine, bei der es nur noch darum geht, ob man vom Umsatz her mal wieder eine zwei- oder doch lediglich eine einstellige Millionensumme erlöst. Marla Glen heißt die Dame, von der hier die Rede ist. 37 Jahre alt, Raucherin mit entsprechendem Gesangstimbre und auf ihrer neuen CD gestylt, als wollte sie auf den nächsten zehn Lesbenbällen en suite die Wettbewerbe um den schönsten kessen Vater gewinnen.

Die am 3. Januar 1960 in Chicago geborene Tochter einer künstlerisch inspirierten Hausfrau und eines Ingenieurs brachte biografisch genau diese spezielle Glaubwürdigkeitsmischung mit, die weltweit operierende Firmen wie C&A eben brauchen – und diese darf keineswegs cheap & awful sein.

Marla Glen ist nicht die Spur schrecklich. Sie weiß sich zu benehmen, hat Manieren, wurde noch durch keine zertrümmerten Hotelzimmer bekannt, auch sind alkoholische Gelage von ihr nicht überliefert – und das grenzt schon an ein Wunder, schließlich zählt die große Exalteuse Nina Simone zu ihren Förderinnen.

Das Verruchteste an Ms. Glen ist noch ihre öffentlich gelebte Bekanntschaft mit Angie Stardust, Hamburger Reeperbahngröße und ohne Zweifel eine Frau, die man besser keiner Mutter vorstellt. Aber da ist Marla Glen ganz souverän, so wie ihre Musik, die man unter Easy Listening rubrizieren könnte, weil auch sie Musikalisches darbietet, das nicht stört, keine E-Gitarren, dafür Akkordeon, Orgel und Conga, gepflegt abgemischt im Ethno-Dorado Paris. So war es nur logisch, daß sie für diesen Clip ihr Lied „Believer“ zur Verfügung stellte: ein moderat formuliertes Stück Protest wider alle Dinge, die den modernen Staatsbürger von heute so stören an der Welt.

Und weil Marla Glen immer berühmt werden wollte und von ihren Eltern nun gerade nicht jeden Monat üppige Schecks zugeschickt bekam und überhaupt eine Frau ab Mitte zwanzig, so die Sängerin, besser für sich selber sorgen sollte, was nun wiederum auch eine ziemlich moderne Sicht der Dinge ist, deswegen hatte sie natürlich keine Skrupel, mit C&A in die Charts zu gehen. Wundert es jetzt noch jemanden, daß sie nicht in einem Klub singen muß – sondern sogar in die Sporthalle vorgelassen wird?

Das ist im übrigen auch demokratisch, denn bei einer solch schönen Unterhaltung müssen alle zuhören dürfen. Daß sie keine Undergroundheldin sein will, muß man ihr nicht verübeln. Sie will einfach nur gut leben, nie mehr als Putzfrau arbeiten müssen, schließlich sind ihre Klamotten nicht so billig. „Ich lebe bereits jenseits meiner Träume“, sagt sie, was mindestens schön gelogen ist. Sie genießt noch, sehr sogar.

Jan Feddersen

Di, 23. Januar, Sporthalle, 20 Uhr

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