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Unruhen wegen Cholera auf HaitiDer Feind trägt einen blauen Helm

Auf Haiti werfen Demonstranten Steine gegen Blauhelme. Die Soldaten werden beschuldigt, die Cholera eingeschleppt zu haben. Die Unruhen behindern den Kampf gegen die Krankheit.

"Die UN hat die Cholera gebracht": Demonstrant in Port-au-Prince. Bild: reuters

PORT-AU-PRINCE afp/rtr | Die UN-feindlichen Unruhen in Haiti greifen auf die Hauptstadt über. Mehrere Hundert Demonstranten bewarfen am Donnerstag in Port-au-Prince Blauhelm-Soldaten mit Steinen und errichteten Barrikaden. In Anlehnung an den Namen der UN-Mission in dem Karibik-Staat riefen sie: "Raus mit Minustah". Die Polizei setzte Tränengas ein, um die Menge auseinanderzutreiben.

Die Soldaten befanden sich auf der Ladefläche eines offenen Kleintransporters, von der einer von ihnen bei dem Angriff herabstürzte. Die Demonstranten versuchten auch, den UN-Sitz in der Hauptstadt zu stürmen. Auf einem Spruchband war zu lesen, diese verteilten "Exkremente auf der Straße".

Die Demonstranten beschuldigen UN-Soldaten, die Cholera eingeschleppt zu haben. Die Vereinten Nationen, deren Friedenstruppen nach dem verheerenden Erdbeben vom Anfang des Jahres die Sicherheit in dem Land gewährleisten sollen, bestreiten die Vorwürfe.

In der zweitgrößten Stadt des Landes, in Cap-Haitien, kommt es seit zwei Tagen zu Ausschreitungen, die sich gegen die UN richten. An der Durchfallerkrankung sind bislang mehr als 1100 Menschen in Haiti gestorben. Über 18.000 sind an Cholera erkrankt.

Am Mittwoch wurden nach Polizeiangaben bei Krawallen in der zweitgrößten Stadt Cap-Haitien ein Mann getötet und mehrere weitere Menschen verletzt. Ob es sich bei dem Todesopfer um einen Blauhelmsoldaten, einen haitianischen Polizisten oder einen Demonstranten handelte, blieb unklar. Ein UN-Sprecher wollte den Todesfall nicht bestätigen. Am Montag waren bei Zusammenstößen in Cap-Haitien im Norden des Landes zwei Demonstranten getötet worden.

Schwer bewaffnet: Ein Demonstrant hält zwei Steine wurfbereit. Bild: reuters

Nach den Worten des Regionalbeauftragten der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation, Ciro Ugarte, könnten sich in den kommenden sechs bis zwölf Monaten weitere 200.000 Menschen mit der Cholera infizieren. Bleibe es bei der derzeitigen Sterberate, könnten weitere 10.000 Menschen sterben.

Hilfsorganisationen kritisierten, dass die Krawalle und Proteste im Land die Eindämmung der Cholera behinderten. "Die Gewalt verzögert unseren Kampf gegen die Cholera in Cap-Haitien", erklärte die Sprecherin der Hilfsorganisation Oxfam, Julie Jindall. Da Straßen von Demonstranten blockiert würden, könnten die Helfer dringend benötigte Güter nicht zu den Bedürftigen bringen. Nach UN-Angaben wurde ein Lager mit Hilfsgütern geplündert und in Brand gesetzt.

Unterdessen wuchs die Angst vor einem Übergreifen der Cholera in andere Länder. Im US-Bundesstaat Florida wurde ein Krankheitsfall bestätigt. Eine Frau sei nach ihrer Rückkehr aus Haiti positiv auf Cholera getestet worden, teilten die Behörden mit. Sie sei behandelt worden, es gehe ihr gut. Aus der an Haiti grenzenden Dominikanischen Republik war bereits am Vortag ein erster Cholera-Fall gemeldet worden. Die Regierung beschloss daraufhin, die Gesundheitskontrollen entlang der Grenze zu Haiti weiter zu verschärfen.

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4 Kommentare

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  • K
    Kai

    Ich hoffe das alle Blauhelme unverzüglich aus diesem Staat abgezogen werden. Wenn die keine Hilfe wollen, von mir aus gerne!

  • JB
    Jochen Braun

    Haiti in den Zeiten der Cholera...

     

    Ich habe selber eine Choleraepidemie in den 90ern miterlebt, damals in Guinea / Westafrika.

    Es gab damals und gibt auch heute einfachste Regeln und Möglichkeiten die Verbreitung einzudämmen und erkrankte Menschen zu behandeln.

    Die Infektion den nepalesischen UN-Soldaten zuzuschreiben halte ich für sehr gewagt, da diese vor Abreise untersucht werden, die Inkuationszeit mit 2-3 Tagen sehr kurz ist etc. halte ich diesen Weg für sehr fragwürdig.

    Leider gibt es in vielen Ländern endemische Vorkommen der Cholera, die nur durch das Aufrechterhalten von Hyghienestandards nicht ausbrechen. Sind diese Mindeststandards wie in Haiti nicht mehr gegebeben, kommt es oft zu einer Ausbreitung.

    Daher besteht auch kaum eine ernstzunehmende Gefahr für die Menschen in Ländern wie DomRep und den USA, da dort meist eine Mindesthyghiene gegeben ist.

     

    Ausserdem lässt sich die Cholera sehr gut mit Infusionen und Antibiotika behandeln, es geht eigentlich nur darum "oben" mehr reinzuschütten, als "unten" rausläuft. Dann geht die Sterblichkeit gegen Null.

  • J
    Jebo

    Haiti ist ein gebeuteltes Land; wer "Voodoo" gelesen hat, ahnt was dort los ist, auch wenn es sich bei dem Roman letztlich um Fiktion handelt. Solchen Ländern unter die Arme zu greifen, sollte eigentlich für die "Erste Welt" selbstverständlich sein.

     

    Wenn dann allerdings Hilfe aktiv boykottiert, sogar bekämpft wird, ist Schluss mit lustig! Dabei spielt es in meinen Augen nur eine untergeordnete Rolle, ob die Infektionen tatsächlich europäischen Ursprung haben.

     

    Die Vereinten Nationen tun oft garnix, wenn es bitter nötig wäre, siehe Somalia, Ruanda etc. Und wenn es an der Zeit ist abzuhauen, wird auch nichts unternommen - schwer nachzuvollziehen.

  • NP
    Nicht PC

    Es gibt Länder, die man sich selber überlassen sollte. Haiti steht ganz oben auf der Liste.

     

    Sollen die Leute doch sehen, wie weit sie mit Hilfe ihrer korrupten Regierung kommen. Unverantwortlich, das Leben von internationalen Helfern aufs Spiel zu setzen.